Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

An
den Kurfürstlich Heßischen Hof-
kapellmeister und Opern-Director
Herrn L. Spohr
Wohlgeboren
in
Cassel.

frei.


Höchst verrehrter Herr Kapellmeister!

Lange habe ich schon den lebhaften Wunsch gehabt, Euer. Wohlgebohren meinen besondern, aufrichtigen Antheil an Ihren mit deutscher Tiefe, seltener Gründlichkeit, Originalität und innigem Gefühl verfaßten dramatischen und Instrumental-Compositionen zu versichern.
So wenig Ihnen an der Meinung eines einzelnen Dilettanten in der Kunst liegen kann, wo die ganze Nation Ihr hohes Verdienst anerkennt und ehrt, so ist es doch ein wohlthuendes Gefühl, seinen Zeitgenossen als Meister und Vorbild sich aufgestellt zu sehn und noch lebend mit dem Kranz des Verdienstes gescmückt zu werden. Denn mit der Ehre muß ja der vaterländische Künstler sich einmal begnügen! -
Die persönliche Bekanntschaft Ihres verehrten, auch unserm Freunde, Graf O. Bau Rath Crelle1 sehr werthen Herrn2 Schwiegersohns3 und Ihre neueste vortreffliche Symphonie, voll Reichthums an edlen, würdigen Gedanken, veranlaßen mich insbesondere Ihnen, seit Ihrer persönlichen Anwesenheit zur Aufführung der noch immer hoch geschäzten Oper Jessonda, zuerst wieder meine hochachtungsvollen Gesinnungen zu bethätigen(?).
Vielleicht haben wir Faust einmal wieder das Glück zu verdanken, Sie in unsern Mauern zu sehn, wo freilich von Seiten der theatralischen Verhältniße nicht viel Aufmunterung für Componisten zu finden ist.
Dieser letztere Umstand veranlaßt auch mich, Euer. Wohlgebohren meine, hier bereits seit einem Jahr ohne Bescheid eingereichte Oper Alfred der Große, von Theodor Körner, (Manuscript aus dessen Nachlaß) in 2. Ackten mit metrischem Dialog und begleiteten Recitativen, zur dortigen Aufführung deshalb zu offeriren, weil die für Bader geschriebene Rolle ganz Ihrem herrlichen Wild zusagt. Es ist außerdem nur eine tüchtige heroische Sängerin nötig, aber ein guter Bariton oder hoher Baß und ein tieferer.
Haben Sie die Güte, mir baldgeneigtest zu melden, ob ich Ihnen, oder an wen adressirt, ich Stück und Partitur einsenden darf. Den eines ist ohne das andere nicht wohl zu beurtheilen.
Ich habe mich bestrebt, den Styl angemeßen und gleich zu halten, das wirksame Harmonie nicht ganz die Melodie zu ofern, ohne letztere in moderner Weise allein zu erheben und nach Effecten alla Auber zu führen. Habe ich wenig geleistet, so liegt dies nicht an meinem vieljährigen Fleiß, sondern in der Beschränktheit meines schwachen Talents und daran, daß ich Alles aus eigener Erfahrung abstrahiren mußte. Nur kurze Zeit genoß ich 1799. das Glück, des würdigen Naumann‘s Schüler zu seyn.
Mit der hochachtungsvollsten Ergebenheit verbleibe ich stets

Euer. Wohlgebohren
gehorsamster Diener
J.P. Schmidt (Hofrath.)

Berlin
den 11ten Decbr. 1828. (am 70sten Geburtstage Zelters!)
Markgrafenstraße No 61.



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Schmidt, 25.02.1825. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Schmidt, 05.12.1829, aus dem sich noch ein derzeit verschollener Brief von Schmidt an Spohr erschließen lässt.

[1] Zur persönlichen Bekanntschaft Spohrs mit Crelle vgl. Wilhelmine Bardua, Jugendleben der Malerin Caroline Bardua, hrsg. v. Walter Schwarz, Berslau 1874, S. 221.

[2] „Herrn“ über der Zeile eingefügt.

[3] Johann Heinrich Wolff (vgl. hier auch Spohrs Empfehlungsbrief für Wolff an Carl Friedrich Zelter, 24.10.1828).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (05.07.2018).