Autograf: Stadtmuseum Dresden, Museen der Stadt Dresden, Schriftgutsammlung, Sign. SMD_SD_2021_00183
Digitale Edition: Museen der Stadt Dresden – Sammlungen Online

Cassel den 20ˢᵗᵉⁿ
November 28

Geehrter Freund,

Lindpaintner ist ein Mann von 36 bis 38 Jahren, liebenswürdig und brav, wie ich immer gehört habe – und wie Wiele versichert (der unter seiner Direktion in Stuttgard spielte) ein sehr routinirter Direktor. Sein dortiger Gehalt war zu Wielen’s Zeiten 2500 fl. Er soll aber später noch Zulage erhalten haben. Daß er mit seiner Stellung in Stuttgard unzufrieden ist war mir schon bekannt; vor 14 Tagen erhielt ich aber einen Brief1 von einem seiner Freunde dort, der mir als Neuigkeit mittheilte, Lindpaintner werde als erster Kapellmeister nach München gehen. Er hatte es diesem von München aus, wo er eben seine neue Oper mir ausgezeichneten Beyfall in Scene gesezt hatte, selbst geschrieben und sich sehr glücklich gepriesen. – Den Wunsch, die Stelle in Hannover zu erhalten, muß daher wohl von früherm Datum seyn. – Doch ist es immer noch möglich, daß aus dem Engagement in München nichts geworden ist.
Wenn es nun, wie ich vermuthe, auch schon der pecuniären Verhältniße wegen, mit Lindpaintner
nichts werden wird, und die Angelegenheit mit Maurer sich nicht zu beyderseitiger Zufriedenheit
arrangirt, so wüste ich Ihnen auf der Welt niemand passenderes vorzuschlagen als Ed. Grund, so
wohl zum Kapellmeister, als auch, wenn Maurer dieses wird, zum Concertmeister.
Ed. Grund ist ein höchst liebenswürdiger, sehr unterrichteter Künstler mit einem wahren Feuereifer
für sein Geschäft; er spielt vorteff[lich] Partitur und kennt alle gangbaren Oper fast auswendig, ist
dabey ein tüchtiger Orchesterdirektor wie er in Meiningen gezeigt hat und würde unter mäßigen
Bedingungen zu gewinnen seyn. Ihre Intendanz würde sich am besten von seinen ausgezeichneten Fähigkeiten überzeugen können, wenn sie ihn auf ein halbes oder ein Jahr zur Probe engagirte. Da er jezt außer Engagement2 und seines Erfolgs gewiß ist, so würde er sich das gewiß gefallen lassen; nur dürfte es in Hannover nicht bekannt werden.
Hinzusetzen muß ich noch, daß ich Ihnen dieß alles aus eigenem Antriebe schreibe, da ich nicht
einmal von Grund selbst sondern von Ihnen es weiß3, daß er sich gemeldet hat.
Doch genug. – Die herzlichsten Grüße. Ihr. L. Spohr4

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Hausmann, Bernhard
Erwähnte Personen: Grund, Eduard
Lindpaintner, Peter von
Wiele, Adolph
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen: Hofkapelle <Hannover>
Hofkapelle <Kassel>
Hofkapelle <Meiningen>
Hofkapelle <Stuttgart>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1828112017

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Hausmann an Spohr. Hausmanns Antwortbrief vom 11.01.1829 ist derzeit ebenfalls verschollen.

[1] Noch nicht ermittelt.

[2] Hier gestrichen: „ist“.

[3] Vgl. Hausmann an Spohr, 13.10.1828.

[4] Am oberen Rand der letzten Seite befindet sich Hausmanns Antwortvermerk: „ret 11 Jan 29“.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (06.10.2021).