Autograf: Beethoven-Haus Bonn (D-BNba), Sign. HCB Br 358
Druck: Ferdinand Ries, Briefe und Dokumente, hrsg. v. Cecil Hill (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bonn 27), Bonn 1982, S. 383f.
Beleg: Autographen-Sammlung enthaltend Musiker-Briefe und Musik-Manuskripte aus dem Nachlasse des berühmten Komponisten Louis Spohr (1784-1859) nebst Beiträgen aller Art (Fürsten, Staatsmänner, Dichter, Gelehrte, Künstler, etc.) aus dem Besitz eines bekannten Berliner Sammlers. Versteigerung zu Berlin Montag, den 15. und Dienstag, den 16. Oktober 1894 (= Katalog Liepmannssohn), Berlin 1894, S. 63

An
Herrn Kapellmeister L. Spohr
Wohlgeb.
in
Cassel
Hessen
 
frco
 
 
Frankfort a/m 26 Sept 1828
 
Verehrter Freund!

Lange habe ich verschoben, an Ihnen einmal wieder zu schreiben in der Hoffnung, etwas Bestimteres über die Aufführung meiner Opera sagen zu können: Es scheint aber bey unserm Kapellmeister, scheint mir, der nehmliche Glückstern, der Ihnen beym Pietro von Abano hier1 leuchtet.
Sie ist jetzt schon zu 6 bestimmten2 Tagen im repertoire (wie mir H. Guhr versicherte) angesetzt gewesen – dabey ist es aber bisheran geblieben, und wenn ich den Worten einiger Sänger, welche bisheren noch immer in dieser Sache Recht hatten, glauben darf3 bleibt es auch noch länger dabey. Einer hat gestern schon wetten wollen, sie würde in diesem Jahre nicht gegeben. Guhr4 hat mir bey Tische versichert, als morgen über 8 Tage würde meine Oper gegeben und hat vor Tisch in der Direktions Versammlung eine andere in's Repertoire gesetzt und bereits zum Druck in die Zeitung geschickt gehabt. Ich bin dieser Sache so überdrüssig, daß ich mir schon seit 14 Tagen vorgenohmen habe, mich um gar nichts mehr zu bekümmern, noch irgend ein Wort darüber zu fragen. Was mir bey der Sache sehr leid thut, ist, daß mein alter Vater5 deswegen hierher gekommen, beynahe vier Wochen hier blieb, und seyd einigen Tagen wieder abgereist, ohne auch nur eine General Probe zu hören, die Guhr ihm selbst 3 mal angesagt hat. Er sprengt überall aus, sie sey so fürchterlich schwer, daß sie beynahe nicht zum Aufführen sey, und da er sich durch Lügen aushelfen muß, so denkt er nicht daran, daß er sich doch am Ende selbst lügenstrafen wird – denn sie wird doch in der Welt gegeben werden.
Ich war in diesem Sommer in den Bädern von Aachen, da haben wir sie 4 mal6 ganz nacheinander aufgeführt – natürlich bloß mit Klavierbegleitung – alle Stimmen waren mit Liebhabern besetzt, und sie ging nach der dritten Probe ganz gut – und hilft mir das Buch, so ist mir für den Effekt nicht bange, besonder nachdem ich die Correctur Probe des Orchesters hier gehört habe.
Mein größter Wunsch wäre nun, sie in Cassel an's Licht zu bringen. Ihr freundschaftliches Versprechen, sich dafür zu interessieren zu wollen habe ich7, und Ihre alte Aufrichtigkeit kenne ich ja auch – thun sie ein übriges bey H. General Direktor Feige noch einmal deswegen nachzufragen. Die Partitur ist abgeschrieben, und haben Sie den Wunsch selbe vorläufig zu sehen, so will ich sie Ihnen zu schicken, obschon ich dieses keinem zweyten anbiethen werde.
Wir haben hier allarmierende Neuigkeiten über Ihre Gesundheit gehabt, die Freund Speier genüglich wiederlegt hat. Gestern abend sah ich Ihn in Jessonda, welche ich zum erstenmal hörte, obschon ich Freund Guhr seit 1½ Jahr darum gebeten hatte. Ich kann Ihnen den hohen Genuß nicht sagen, den ich hatte, ich hatte mich kindisch darauf gefreut und wurde hinlänglich belohnt. Von meiner Frau alles gute, herzliche an Ihnen und ihre liebe Frau, leben Sie wohl, immer
 
der Ihrige
Ferd. Ries

Autor(en): Ries, Ferdinand
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Feige, Karl
Guhr, Carl
Ries, Franz Anton
Speyer, Wilhelm
Erwähnte Kompositionen: Ries, Ferdinand : Die Räuberbraut
Spohr, Louis : Jessonda
Spohr, Louis : Pietro von Abano
Erwähnte Orte: Aachen
Frankfurt am Main
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Kassel>
Stadttheater <Frankfurt am Main>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1828092643

Spohr



Der letzte erschlossene Brief dieser Korrespondenz ist Ries an Spohr, Ende Januar 1828. Der Inhalt dieses Briefs macht wahrscheinlich dass es kurz vor diesem Brief weitere Korrespondenz zwischen Spohr und Ries gegeben hat, dies lässt sich derzeit jedoch derzeit nicht belegen. Außerdem könnte die Kommunikation zum Teil über Mittelsmänner gelaufen sein, wie die Erwähnung des durch Franz Hauser übermittelten Auftrags in Ries nächstem Brief oder Spohr an Hubert Ries, 17.02.1828 belegen. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Ries an Spohr, 19.01.1829.

[1] „hier“ über der Zeile eingefügt.

[2] Hier drei Buchstaben gestrichen.
 
[3] „glauben darf“ über der Zeile eingefügt.
 
[4] „Guhr“ über gestrichenem „Er“ eingefügt.
 
[5] Franz Anton Ries.
 
[6] „ 4 mal“ über der Zeile eingefügt.
 
[7] „habe ich“ über der Zeile eingefügt.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (11.04.2019).