Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,119
Druck: Edward Speyer, Wilhelm Speyer der Liederkomponist 1790-1878. Sein Leben und Verkehr mit seinen Zeitgenossen dargestellt von seinem jüngsten Sohne, München 1925, S. 99 (teilweise)

Sr. Wohlgeb.
Herrn Wilhelm Speyer
in
Offenbach a/m


Cassel den 25sten
März 28.

Geliebter Freund,

Ich lasse mir niemals einen Revers ausstellen, da es zu nichts hilft. Bei Hoftheatern ist man ohne dieß sicher, daß die Partitur nicht weiter verkauft werde und bei Provinzial-Bühnen sichert auch ein Revers dagegen nicht. Ich mache aber in einigen öffentlichen Blättern bekannt, daß die neue Oper NN nur bei mir auf rechtmäßige Weise zu bekommen sey. Erscheint sie dann irgendwo, ohne daß sie von mir gekauft ist, so kann ich das Honorar verlangen. So ist es mir mit München gegangen, wo auch ohne Weigerung das Honorar eingesendet wurde. In Aachen und Königsberg und noch in einigen andern Orten ist Jessonda gegeben worden, ich habe es aber nicht der Mühe wert gefunden um das Honorar zu schreiben, da ich doch nichts bekommen hätte.
Ich muß leider wortbrüchig werden und kann Ihnen das Doppelquartett jetzt nicht schicken. Schlesinger, an den es verkauft ist, will es noch vor Ostern, Stimmen und Partitur eingeschickt haben. Wenn ich in der Ferienzeit zu Ihnen kann, dann werde ich es mitbringen; dann wollen wir es sogleich machen. – Meine neue Sinfonie habe ich schon einmal probiert. Die beiden ersten Sätze waren von guter Wirkung. Die beiden letzten sind zu schwer, um gleich gut klingen zu können. Am Ostertage wird sie, dann ein Miserere von Leo und zum Schluß die große Beethovensche Sinfonie mit Chor von uns gegeben werden. – Nächsten Sonntag wird Pietro von Abano seyn. –
Guhr hat mir nicht geschrieben. Wollen Sie es übernehmen, bey der Direktion das Honorar (20 Friedrichsd’or) einzukassiren, so werde ich Ihnen unendlich dankbar seyn. Ich mögte mit den Herrn nicht gern zu thun haben.
Am 3ten und 4ten Juni dieses Jahres wird das Elb-Musikfest in Halberstadt seyn. Es wird mein Oratorium1 gegeben werden und ich habe zugesagt, es zu dirigiren.
Dahin geht allso zuerst die Ferien-Reise. Dann hängt es von den Umständen ab, ob wir über München in die Schweitz oder direkt nach Paris gehen. Wird bis dahin auf dem Odeon-Theater Pietro v. Abano gegeben [werden was] im Werke ist, so ziehe ich vor nach Pa[ris z]u gehen, um für die Oper zu wirken; wird nichts daraus, so zieht uns die Schweitz mehr an. – Auf dem Hin- oder Her-Wege besuchen wir Sie auf jeden Fall.
Die herzlichsten Grüße an die lieben Ihrigen

Mit wahrer Freundschaft stets
der Ihrige
Louis Spohr.

NS. Am Charfreitage und Ostern wird mein Oratorium in 4-5 Städten gegeben, in Leipzig, Görlitz Hannover, Zelle pp. Diese Komposition scheint wirklich recht populär zu werden!



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Speyer an Spohr. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Speyer, 04.05.1828.

[1] Die letzten Dinge.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (01.03.2016).

Cassel, 25. März 1828.

Ich lasse mir niemals einen Revers ausstellen, da es zu nichts hilft. Bei Hoftheatern ist man ohnedies sicher, daß die Partitur nicht weiter verkauft werde und bei Provinzialbühnen sichert auch ein Revers dagegen nicht. Ich mache aber in einigen öffentlichen Blättern bekannt, daß die neue Oper N. N. nur bei mir auf rechtmäßige Weise zu bekommen sei. Erscheint sie dann irgendwo, ohne daß sie von mir gekauft ist, so kann ich das Honorar verlangen. So ist es mir mit München gegangen, wo auch ohne Weigerung das Honorar eingesandt wurde. In Aachen und Königsberg und noch in einigen andern Orten ist ,Jessonda’ gegeben worden, ich habe es aber nicht der Mühe wert gefunden um das Honorar zu schreiben, da ich doch nichts bekommen hätte ... Meine neue Sinfonie habe ich schon einmal probiert. Die beiden ersten Sätze waren von guter Wirkung. Die beiden letzten sind zu schwer, um gleich gut klingen zu können. Am Ostertage wird sie, dann ein Miserere von Leo und zum Schluß die große Beethovensche Sinfonie mit Chor von uns gegeben werden. Am Karfreitag und Ostern wird mein Oratorium ,Die letzten Dinge’ in vier oder fünf Städten gegeben, in Leipzig, Hannover, Görlitz usw. Diese Komposition scheit wirklich recht populär zu werden ...