Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,118
Druck: Horst Heussner, Die Symphonien Spohrs, Phil. Diss. Marburg 1956, S. 50, Anm. 3 (teilweise)

Sr. Wohlgeb.
Herrn Wilhelm Speyer
in
Offenbach a/m0
 
 
Cassel den 29sten
Februar 28.
 
Geliebter Freund,
 
Ich war eben im Begriff Ihnen zu schreiben als ich Ihren lieben Br. bekam. Der Inhalt hat das innigste Mitgefühl der Meinigen erregt. Wohl ist die Gesundheit das größte Gut! Wir haben diese Bemerkung auch zu mancher(?) Gelegenheit gefunden, denn Ida und ihr Kind1, waren krank, das letztere lebensgefährlich; was meine Frau dabey erlitten hat, ist nicht zu beschreiben, nun ist Gottlob alles überstanden und wir sehen einer heitern Sonne entgegen.
Das Neueste hier ist, daß die Heinefetter auf Lebenszeit engagirt ist und unsere Oper nun ganz, wie sie war, zusammenbleibt. Das Decret als Cammersängerin ist ihr bereits ausgefertigt und wir sehen nun den Reclamationen aus Berlin, die nicht ausbleiben werden, mit Ruhe entgegen. Die Contracte, die sie freilich unterschrieben hatte, sind mit der Aufkündigung zurückgesandt worden. Zum Glück für sie, ist in Berlin 2 mal der Fall da gewesen, daß ein Sänger, der bereits unterzeichnet hatte von der königl. Direktion zurückbehalten wurde, weil der König ihm eine Anstellung auf Lebenszeit gab. – Mich macht es sehr froh, daß wir das beste Gesangpersonal in Deutschland haben und behalten werden; nun soll auch bald unser Repertoire das reichste und ausgewählteste seyn!
In 8 Tagen wird Faust nach langer Ruhe zum ersten mal wieder mit ganz neuen und vorzüglicher Besetzung gegeben.2 Das Doppelquartett haben wir bereits einmal bey mir gemacht; eine 2tes Aufführung hat noch nicht stattfinden können, da Hasemann krank war. Diese soll nun Dienstag über 8 Tage, bey Fr. v. Malsburg seyn und tags darauf werde ich Ihnen sogleich die Stimmen übersenden. – Die Partitur konnte ich Ihnen auch nicht schicken, da mein Bruder ein Arrangement macht. – Über den Werth dieses im Verglei[ch zu] dem 1sten Doppelquartett weiß ich noch nichts [zu]2a schreiben; meiner Frau, Hauptmann u. [… ge]fällt es besser.3
Für die Ferienzeit projektiren wir eine Reise nach Paris. Es ist im Werke, daß ich dann eine meiner Opern im Odeon dirigen werde. – Mit meiner neuen Oper werde ich noch viel Verdruß haben, auch in Berlin; doch davon, wenn die Sache erst entschieden ist. – Mit großer Begeisterung habe ich jetzt 3 Sätze einer großen Sinfonie geschrieben. Am 1sten Ostertage wird sie in einem Concerte für unsere Witwenkasse zum ersten mal gegeben werden. [Unser] Publikum nimmt den lebhaftesten Antheil an Sin[fonien]. Leben Sie wohl. Die herzlichsten Wünsche für recht bald[ige Her]stellung Ihrer Kranken.
Ihr L. Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Speyer an Spohr. Der nächste Brief von Speyer an Spohr ist derzeit ebenfalls verschollen.
 
[0] [Ergänzung 14.10.2022:] Auf dem Briefumschlag befindet sich rechts oben der Poststempel „CASSEL / 29FEB1828“
 
[1] Mathilde Wolff, später verheiratete von Dalwigk. [Ergänzung 14.10.2022: „waren krank über der Zeile eingefügt.]
 
[2] Vgl. „Cassel den 9. März”, in: Allgemeine Musikzeitung zur Beförderung der theoretischen und praktischen Tonkunst 2 (1828), Sp. 207f.
 
[2a] [Ergänzung 14.10.2022:] Hier und im Folgenden Textverlust durch Siegelausriss.
 
[3] Vgl. dagegen: „Sein neues Doppelquartett haben wir kürzlich probirt, es ist sehr schön; dennoch ziehe ich das erste vor, es hat mehr Ursprüngliches, Frisches” (Moritz Hauptmann an Franz Hauser, 03.02.1828, in: Briefe von Moritz Hauptmann an Franz Hauser, hrsg. v. Alfred Schöne, Bd. 1, Leipzig 1871, S. 25-29, hier S. 27). 
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (01.03.2016).