Autograf: nicht ermittelt
Entwurf oder Kopierbuch: ehemals Archiv der Königlichen Schauspiele in Berlin, nach Horst Heussner, Die Symphonien Ludwig Spohrs, Phil. Diss. Marburg 1956, S. 35, Anm. 3 im Zweiten Weltkrieg zerstört
Druck: Wilhelm Altmann, „Spohrs Beziehungen zur Generalintendantur der Königl. Schauspiele zu Berlin”, in: Neue Zeitschrift für Musik 100 (1904), S. 199-202, hier S. 200
Ew. Wohlgeboren sind so gütig gewesen, auf meinen infolge der desfalls mir zugegangenen Empfehlung des Herrn General-Musik-Direktors Spontini gegen Sie ausgesprochenen Wunsch Ihre neueste Oper „Pietro von Abano” mir zu übersenden1, wofür ich Ihnen sehr verpflichtet bin. Nicht allein von mir, sondern auch von mehreren mit den Theater-Verhältnissen genau vertrauten und dem Institute nahestehenden Männern ist zunächst das Gedicht gelesen worden, das aus der Tieckschen Novelle vielen schon bekannt war. Wenn nicht zu leugnen, dass das Sujet im Gewande der Novelle für viele einen Hoffmannschen Grausspiele von mannigfaltigen Interesse gewesen ist, so sind doch mit mir alle der Ansicht, dass eben diese Novelle dramatisch dargestellt eine mehr als Grausen erregende Wirkung hervorbringen und ein unheimliches Gefühl bereiten muss; abgesehen davon, dass die Zauberkünste, wie sie hier angewandt, von so Seelen-peinigender Natur sind und das sittliche Gefühl dermassen verletzten, dass man unwillkürlich davor zurückbebt. Dem Herrn G.M.D. Spontini ist der Inhalt des Gedichts in französischer Sprache mitgetheilt; auch er hat sich überzeugen lassen und ist der Meinung beigetreten, die ich eben so offen Ihnen hier mitteile, wie sie sich allen denen auffdrang, die sich mit dem dramatischen Gedicht bekannt gemacht haben.
Von dem Trefflichen, was Sie als Komponist geschaffen, hier kein Wort; der Meister der „Jessonda” und des „Faust” wird auch hier seinen Ruhm und Ruf bewährt haben. Wie das Gedicht aber hier aufgefasst [wird], ist die Darstellung auf unserer Bühne durchaus nicht möglich.
Vieles was Rücksichten solcher Art erheischen, muss ich, wie billig, verschweigen; denn dem Intendanten einer Hofbühne sind in gewissem Sinne größere Fesseln angelegt als dem Privatunternehmer, der keine andere Pflicht hat, als dem Publikum zu bringen, was ihm und vorzüglich seinem finanziellen Wesen gut scheint, unbekümmert aller Berücksichtigung der Verhältnisse in denen der Intendant einer Hofbühne lebt, denen er sich fügen muss.
Des Herrn Spontini Ansicht ist zwar, Ew. Wohlgeboren möchten sich entschliessen, das Textbuch umarbeiten und aus dem Sujet die allzu krassen Scenen herausnehmen zu lassen. Wie das möglich, weiss und begreife ich indess nicht. Mir scheint es eine der schwierigsten unauflöslichen Aufgaben.
Um aber das Berliner Publikum mit einem Werke Ihres Geistes bekannt zu machen, wünschte ich, Sie schickten mir als Austausch gegen Ihren „Pietro Abano” die Partitur des „Faust” ein, den ich schon lange zur Aufführung gebracht zu sehen wünschte.
Dass bei dieser ganzen Verhandlung über Ihr besprochenes neues Werk mich nur der Wunsch leitete, Ew. Wohlgeboren die wahre Achtung zu beweisen, die ich Ihren Talenten stets zolle werden Sie mir auch ohne Versicherung glauben.
Brühl
Berlin den 30. Januar 1828.
Autor(en): | Brühl, Karl Moritz von Königliche Schauspiele |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Spontini, Gaspare |
Erwähnte Kompositionen: | Spohr, Louis : Faust Spohr, Louis : Jessonda Spohr, Louis : Pietro von Abano |
Erwähnte Orte: | Berlin |
Erwähnte Institutionen: | |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1828013044 |
Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Brühl, 17.12.1827. Spohr beantwortete diesen Brief am 10.02.1828.
[1] Vgl. Spohr an Wilhelm Speyer, 27.10.1827.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (14.11.2016).