Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,116

Sr. Wohlgeb
Herrn Wilhelm Speyer
in
Offenbach a/m


Cassel den 28sten Nov.
27.

Geliebter Freund,

Gestern habe ich das umgearbeitete Buch an Guhr gesendet. Die Partitur hat er schon 8 Tage früher erhalten. Beyde Sendungen habe ich mit 4-Seiten langen Briefen begleitet1, die mit Bitten und Erinnerungen wegen der Besetzung und scenischen Anordnungen der Oper vollgefüllt waren. Wegen der Tempi, die ich in der Eile noch nicht nach dem Metronom bezeichnen konnte, habe ich ihn an Sie und Ries verwiesen. – Die Parthie des Beresinth habe ich für Hassel umgeändert und damit die große Arie der Eudoxia für die Braun einen Ton tiefer von F nach Es verlegt werden könne, so habe ich den Übergang, der von der Arie zum Ensemblestück führt, ebenfalls abgeändert.
Haben Sie die Güte sich nun einmal mit Guhr zu besprechen und schreiben Sie ihn an, daß er die Clavierproben bald beginne, damit die Oper zuletzt nicht übers Knie gebrochen werde. Die Aufführung in Frankfurt, als die erste außerhalb Cassel ist für den Ruf der Oper gar zu wichtig! – Wenn dann später die Theaterproben beginnen, so bitten Sie ihn doch meine beyden Briefe nochmals mit Aufmerksamkeit zu durchlesen. – Sollte das Buch nun nach der Umänderung noch einmal die Censur passiren müssen, so besorgen Sie es doch gefälligst hin und fände sich vielleicht noch hin und wieder ein Wort, was dem Censor anstößig wäre, so ändern Sie es doch gleich ab. – Besitzt denn das dortige Theater wohl das Innere einer Kirche und sind wohl passende Decorationen für das Finale des 1sten Aktes und die Scene, wo Cäcilie hinter den Vorhängen schlummert, vorhanden?
Ihren Bericht in der Iris habe ich gesehen und danke herzlichst.2 Den andern konnte ich nicht finden, weil ich nicht weiß wo er steht.3 Es sollen jetzt an ein Dutzend Beurtheilungen der Oper in verschiedenen Zeitungen hier angekommen seyn, wie mir gestern Abend gesagt wurde, gelesen habe ich aber noch k[einen d]avon.4 – Vor Ende des Monath[s] muß es sich nun entscheiden, ob die Heinefetter bleibt oder nicht. – Es ist uns eine junge Sängerin aus Mainz, Dem. Schneider(?) sehr empfohlen worden, die sich dem Theater widmen will. Wissen Sie nichts von ihr?
An die lieben Ihrigen die herzlichsten Grüße. Mit inniger Freundschaft stets

der Ihrige
Louis Spohr.

NS. Ich schreibe ein 2tes Doppelquartett. Der 1ste Satz ist fertig.



[1] Die beiden Briefe Spohr an Carl Guhr 20. und 27.11.1827 sind derzeit verschollen.

[2] Der einzige bisher zu dieser Zeit ermittelte Hinweis auf Pietro von Abano lautet: „Die genußreiche Aufführung des Faust weckte den Wunsch, die Direction möge doch in Betracht nehmen, die neueste Spohrsche Oper Pietro von Abano bald auf die Bühne zu bringen” („Chronik der Frankfurter Schaubühne”, in: Iris (1827), S. 916). 

[3] Noch nicht ermittelt.

[4] Darunter wohl: „Cassel im October 1827”, in: Allgemeine Musikzeitung zur Beförderung der theoretischen und praktischen Tonkunst 1 (1827), Sp. 298f.; v.A., „Aus einem Briefe. Cassel, 15. October 1827”, in: ebd., Sp. 299f.; Philomelos, „Cassel, 12 October 1827”, in: ebd., Sp. 299Münchener Allgemeine Musik-Zeitung 1 (1827), Sp. 127; „Mancherley”, in: Sammler 19 (1827), S. 528

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (01.03.2016).