Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,115

Cassel den 14ten November
27.

Geliebter Freund,

Die Krankheit eines Abschreibers ist schuld, daß ich die Partitur der neuen Oper1 erst nächsten Sonntag an Guhr abschicken kann. Indessen ist es doch noch möglich, daß sie in Frankfurt zum 1sten Januar gegeben werden kann, wenn Guhr zuerst die Gesangstimmen ausschreiben läßt und dann sogleich die Proben am Clavier beginnt.
Die nöthigen Abänderungen hat der Dichter2 gemacht. Aus dem Bischoff und dem Alvaro ist eine Person geworden nämlich ein Nobile der Republik, der von Venedig gesandt ist, um Pietro in seine neue Würde, als Rektor der Universität einzusetzen. Er ist ein naher Anverwandter des Hauses der Podesta, wohnt daher der Beerdigung Cäciliens bey und ist zu der Warnung vor Pietro wohl berechtigt. An ihn, als den Abgesandten der Republik wendet sich auch Antonio um Rettung für Cäcilia und Rache an Pietro zu verlangen. Eine Schwierigkeit ist aber noch zu beseitigen, weshalb ich Ihnen diesen Brief schreibe. Der Chor der Priester bey der Beerdigung und der Schluß der Oper können, da die Priester wegfallen müssen, schicklicher Weise nur von der Schar der barmherzigen Brüder gesungen werden. Da dieß nun gar kein geistlicher Orden ist und bei Begräbnissen oder wo es auf Rettung einer Verunglückten ankommt, functionirt, so meine ich, werde ihn die Censur wohl gestatten. Haben Sie doch die Güte, sich deshalb zu erkundigen und mir sobald als möglich Antwort zu geben. Sollte die Censur ihn nicht erlauben wollen, so müßten die Leidtragenden den ersten Chor bey der Beerdigung und der Nobile mit seinem Gefolge den Schlußchor singen, was freylich ein großer Übelstand seyn würde. – Alles übrige, was der Censur anstößig seyn könnte, ist sorgfältig herausgebracht und ich zweifle nicht, daß das Buch nun so auch in katholischen Ländern erlaubt werden wird. – Sollte die Censur äußern: Die barmherzigen Brüder könnten wohl in Frankfurt gestattet werden, würden es aber nicht in einer katholischen Stadt, so melden Sie mir doch auch dieß, damit ich für eine solche Stadt in der Folge noch eine 3te Abänderung mache.
In Ihrer Antwort melden Sie mir doch auch, ob Guhr noch fest entschlossen ist, die Oper sogleich vorzunehmen, weil ich sonst die Abschrift nach Berlin an Spontini schicken mögte.
Entschuldigen Sie, liebster Freund, daß ich Sie so plage!
Mit inniger Freundschaft
stets

der Ihrige
Louis Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Speyer, Wilhelm
Erwähnte Personen: Guhr, Carl
Pfeiffer, Carl
Spontini, Gaspare
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Pietro von Abano
Erwähnte Orte: Berlin
Frankfurt am Main
Erwähnte Institutionen: Königliche Schauspiele <Berlin>
Stadttheater <Frankfurt am Main>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1827111402

Spohr



Dieser Brief schließt an Spohr an Speyer, 11.11.1827 an. Der nächste Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Speyer, 28.11.1827.

[1] Pietro von Abano.

[2] Carl Pfeiffer.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (01.03.2016).