Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,114

Sr. Wohlgeb
Herrn Wilhelm Speyer
in
Offenbach a/m


Cassel den 11ten
November 27.

Geliebter Freund,

Herzlichen Dank für Ihre Bemühungen. Ich werde die erste Abschrift der Oper1, die in einigen Tagen fertig seyn wird, zu Guhr senden. Mit der an Spontini wird es so große Eile nicht haben. An Guhr werde ich schreiben und ihm empfehlen sich in Allem Ihren Rath zu erbitten. Wenn die Oper am 1sten Januar gegeben werden soll, so wird er sich bey Ankunft der Partitur gleich darüber machen müssen. – Besonders dankbar bin ich Ihnen für Ihre Bemühungen bey der Censur. Das Resultat giebt mir nun einen Maßstab für die Veränderungen, die für katholische Länder nöthig seyn werden. Noch heute früh werde ich mich mit dem Dichter2 besprechen und ihn um die nöthigen Veränderungen bitten. Ein solches umgearbeitetes Buch werde ich dann der Partitur an Guhr beylegen und in’s künftige jedem Theater beyde Bücher zur Auswahl einsenden.3
Meine Unterhandlungen mit Schlesinger sind noch nicht zu Ende. Er besteht auf den Priviligien4 und will, wenn ich sie nicht veranlassen will oder kann nur 600 Rth für die Oper geben. Ich mag mich aber nicht darauf einlassen, weil ich, wenn demohngeachtet irgendwo nachgestochen würde, stets von Schlesinger zu Beschwerden und Klagen auf Schadenshaltung angetrieben werden würde und dergl(?) mich zu aller Arbeit untauglich machen würde. Ich habe ihm daher jetzt den letzten Vorschlag gethan: ihm die Oper für 800 Rth zu lassen, wenn er weiter keine Bedingungen macht. Verwirft er diesen Vorschlag, so werde ich mich mit andern Verlegern, die mir auch Anerbiethungen für die Oper gemacht haben, in Unterhandlung treten.
Die Parthie des Beresinth werde ich für Hassel punktiren und sie soll dadurch nicht verlieren. Ich fürchte aber, daß der B[raun]5 die Höhe zu der Parthie der Eudoxi[a abge]hen wird und da werden Verände[rungen] viel schwerer seyn, um nichts zu verderben. Ich wünsche nach Ankunft der Partitur Ihre und Guhr’s Meynung darüber zu hören.
Gestern6 war Emiliens Hochzeit. Sie wurde in Wilhelmshöhe gefeyert. Um 3 Uhr fuhren wir dann zum Theater, wo zufällig Jessonda gegeben wurde (die von Seiten der Sänger auffallend gut ging) und nach dem Theater blieben wir noch bis spät in die Nacht zusammen. – Herzliche Grüße von uns allen.
Mit inniger Liebe stets

der Ihrige
L. Spohr.



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Speyer an Spohr. Der nächste Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Speyer, 14.11.1827.

[1] Pietro von Abano.

[2] Carl Pfeiffer.

[3] Vgl. Verzeichniss von Musikalien welche bei verschiedenen Verlegern erschienen, und in allen Musikhandlungen, in Berlin in der Schlesinger’schen Buch- und Musikhandlung, unter den Linden No. 34 zu haben sind, Nr. 4, 04.06.1828, nicht paginiert

[4] Adolph Martin Schlesinger versuchte als einer der ersten Musikverleger, sich weitgehende Urheberrechte an den von ihm publizierten Musikalien zu sichern (vgl. Friedemann Kawohl, Urheberrecht der Musik in Preußen (1820-1840) (= Quellen und Abhandlungen zur Geschichte des Musikverlagswesens), Tutzing 2002, S. 7-70, hier speziell zu Pietro von Abano S. 48f.).

[5] Der Name ist durch Textverlust außer dem Anfangsbuchstaben „B” nicht lesbar. Die Identifikation mit Cathinka Braun ergibt sich aus der Nennung dieser Sängerin für die Rolle der Eudoxia in Spohr an Speyer, 28.11.1827.

[6] Die beiden genealogischen Publikationen zur Familie Spohr geben als Termin für die Hochzeit an: „verh. vor 1828 mit M.G. Zahn, Fabrikbesitzer in Cassel” ([Ludwig] Spohr, Spohr’sches Familienbuch. Genealogie der Familie Spohr aus Alfeld und kleine Beiträge zu einer Familien-Chronik, Karlsruhe 1909, S. 42) und „Cassel Frühjahr 1828 mit Fabrikbesitzer Johann Wilhelm Zahn in Cassel” (Oswald Spohr, Die Nachfahren des Ratsbaders und Chirurgus Christoph Spohr in Alfeld an der Leine (1604-1679). Eine Nachfahrentafel mit soziologischen und biologischen Betrachtungen (= Bibliothek familiengeschichtlicher Arbeiten 2), Leipzig 1926, S. 5).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (01.03.2016).