Autograf: Universitätsbibliothek Kassel – Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Wohlgebohrner Herr,
Hochgeehrtester Herr Kapellmeister!

Bei der Aufführung Ihrer Jessonda in Leipzig1 hatte ich die Ehre, Ihre persönliche Bekanntschaft zu machen und ihr gütiges Wohlwollen, dessen Sie mich würdigten, ermuthigt mich, Ihrem geneigten Andenken mich durch diese Zeilen zu empfehlen.
Seit anderthalb Jahren halte ich mich in Aachen auf, nachdem ich Holland bereiset. Ich habe während dieser Zeit mehreres für die Kirche geschrieben und in der letzten Zeit auch das Melodram: Ein Uhr oder der Zauberbund um Mitternacht, in Musik gesetzt, das ohnlängst hier gegeben2 und in einigen Wochen wiederholt werden wird. Der musikal. Theil desselben besteht aus einer Ouverture
4. Chören
1. Marsch
1. Ballet
und 3. melodramatischen Piecen.
Es würde mir eine große Freude machen, wenn ich dasselbe an einige größere Theater bringen könnte und ich bin so frei, Sie ganz ergebenst zu bitten:
Das Melodram Ihrem Hoftheater zur Annahme zu empfehlen. Das Buch ist eben nicht das geistreichste, indessen gefällt es, wie Sie aus den Berichten der musikal. Zeitungen ersehen haben werden, in Berlin, Wien, Bremen u. anderen Orten, an welchen Orten übrigens es mit anderer Musik als der meinigen gegeben wird. Das wäre die erste meiner Bitte.
Zweitens habe ich die Idee: zu meinem Benefiz in Aachen ihr vortreffliches Oratorium: die 4. letzten Dinge p zu geben, wenn Sie die Gewogenheit haben wollten, mir auf 4-6 Wochen Ihre Partitur zukommen zu lassen. Ich bin im Einstudiren nach dem Klavierauszuge begriffen und ich kann wohl sagen: daß diese, obgleich mühevollen Stunden, durch den Genuß, den wir das immer und immer zugänglicher werdende Kunstwerk gewährt, zu den angenehmsten meines Lebens gehörte. Wollte Gott, der Geist des verewigten Hoffmann führe in mich, um eben so poetisch den Junker(???) den Traum zu mahlen, der in Ihrem Werke heimisch ist, als jener den des Don Juan.3
Drittens habe ich Ihnen als Director der Oper in Cassel, noch einen jungen Mann zu empfehlen, der gegenwärtig in Aachen bei der Derossischen Truppe engagirt ist, nemlich Herrn Kron. Er ist ein Schüler des braven Componisten Tomaschek in Prag und macht demselben alle Ehre. Seine Stimme von G bis g’ ist vom größten Wohllaut und unter deutschen Sängern ist mir noch keiner vorgekommen, der eine bessere Schule besäße, als er. Die Berichte von Stuttgart, Carlsruhe, Prag sprechen sich in gleicher Weise über ihn aus. Ein Engagement wie das hiesige ist in keinem Fall für ihn geeignet und es dürfte Ihnen, im Fall die Baritonparthie an Ihrem Theater unbesetzt oder nicht nach Ihren Wünschen besetzt sei, vielleicht angenehm seyn, den Platz mit einem derartigen Sänger auszufüllen, daß er nächst seine Kunstfertigkeit auch ein fester Sänger sei, darf ich wohl nicht erst hinzufügen.
Haben Sie die Gewogenheit, mir über meine 3. Wunsche gefällig Bescheid zu geben und genehmigen Sie die Versicherung meiner innigsten Hochachtung, mit der ich zu unterzeichnen die Ehre habe
Ew. Wohlgebohren

ergebenster Diener
Zoellner

Aachen d. 15tn October
1827.



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Zöllner an Spohr, 15.04.1823. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Zöllner an Spohr, 26.05.1829.

[1] Zur von Spohr selbst dirigierten Leipziger Aufführung von Jessonda vgl. Spohr an Wilhelm Speyer, 15.02.1824.

[2] Vgl. die Ankündigung „Theater-Anzeige“, in: Stadt Aachener Zeitung 25.09.1827, nicht paginiert sowie die knappe, aber vernichtende Kritik in: Almanach für ’s Aachener Stadttheater auf das Jahr 1829, Aachen 1829, S. 106.

[3] Vgl. E.T.A. Hoffmann, „Don Juan. Eine fabelhafte Begebenheit, die sich mit einem reisenden Enthusiasten zugetragen“, in: ders., Phantasiestücke in Callot’s Manier. Blätter aus dem Tagebuch eines reisenden Enthusiasten, Berlin 1827, S. 81-97.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (02.06.2023).