Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,108
Druck: Edward Speyer, Wilhelm Speyer der Liederkomponist 1790-1878. Sein Leben und Verkehr mit seinen Zeitgenossen dargestellt von seinem jüngsten Sohne, München 1925, S. 96 (teilweise)

Sr. Wohlgeb
Herrn Wilhelm Speyer
in
Offenbach a/m


Cassel den 11ten Aprill
27.

Geliebter Freund,

Haben Sie Dank für alles Überschickte. Von den Gesangstimmen fehlen noch 6-8, die dem andern Verein1 gehören, der mich jetzt, wo wir im Begriff sind, das Oratorium aufzuführen, besonders oft hat mahnen lassen. Ich habe nun erklärt, daß sie sich in den Lust finden müssen, dem Schlingel von Guhr werde ich aber im Leben keine Note wieder borgen. Herr Hamberg hat mir 22 fl. 36 x zugeschickt. – Beykommend bin ich so frey Ihnen einen Wechsel zum Einkassiren zuzusenden; das Geld verwahren Sie gefälligst, bis sich wieder eine Zahlung zu machen findet. – So eben erinnert mich meine Frau, daß sie die Auslage für die Mützen2 abzuziehen vergessen haben.
Von der neuen Oper3 ist der erste Akt, mithin die Hälfte des Ganzen, nun fertig auch bereits in Partitur gesetzt.
Am 1sten Freytag Abends bey Beleuchtung führen wir mein Oratorium4 als letz[tes] Abonnement-Concert in der katholische[n] Kirche auf. Die beyden Gesangvereine haben es sehr sorgfältig studirt und es wird sicher sehr vorzüglich gehen.
Am vorigen Sonntag war die gro[ße] Aufführung davon in Leipzig und ich erwarte Nachricht von Rochlitz, wie es ausgefallen ist. Ich lege Ihnen den letzten Brief von Rochlitz5 bey und bitte Sie besonders das Ende zu lesen; es hat mich gefreut zu sehen, daß der alte Herr nicht zu stolz ist, zu gestehen, wenn er sich geirrt hat.
Daß Ries Ihrem Offenbach vor Cassel, wo er sich häuslich niederlassen wollte, den Vorzug gegeben hat, wundert und ärgert mich! Sollten Sie seine Bekanntschaft gemacht haben, so sagen Sie ihm doch das in meinem Namen. Dem jungen Küper aus London, einen höchst liebenswürdigen Menschen habe ich in London Unterricht gegeben; auch ihn nachher hier oft wiedergesehn. E[r hat] ausgezeichnetes Talent für Mu[sik.]
Die Nachricht von Beethovens Tode hat uns sehr betrübt; meiner Frau hat sie sogar Thränen ausgepreßt. Die Wiener möchten nun gerne die Schande von sich wälzen, daß sie ihn haben darben lassen; das Faktum läßt sich aber nicht leugnen und alle Deklamationen dagegen werden nicht helfen. Ich weiß es aus einem eigenen Briefe von ihm an mich, daß er Not gelitten hat.6 Sein Begräbnis war sehr glänzend! So sind die Deutschen! Leben Sie wohl. Herzliche Grüße

Ihr L. Spohr

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Speyer, Wilhelm
Erwähnte Personen: Beethoven, Ludwig van
Guhr, Carl
Hamberg
Kuper, Henry
Ries, Ferdinand
Rochlitz, Friedrich
Spohr, Dorette
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Pietro von Abano
Spohr, Louis : Die letzten Dinge
Erwähnte Orte: Kassel
Leipzig
London
Offenbach
Wien
Erwähnte Institutionen: Hofkapelle <Kassel>
Singakademie <Kassel>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1827041102

https://bit.ly/

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Speyer an Spohr. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Speyer, 19.05.1827.

[1] Die Kasseler Singakademie, mit der Spohrs Cäcilienverein bei großen Konzerten gemeinsam auftrat.

[2] Vgl. Spohr an Speyer, 24.05.1826 und 14.08.1826

[3] Pietro von Abano.

[4] Die letzten Dinge.

[5] Vgl. Friedrich Rochlitz an Spohr, 26.02.1827.

[6] Da die beiden überlieferten Briefen Ludwig van Beethovens an Spohr, 27.07.1823 und 17.09.1823 davon nicht berichten, handelt es sich wohl um einen derzeit verschollenen Brief.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (29.02.2016).

Cassel, 11. April 1827

Die Nachricht von Beethovens Tode hat uns sehr betrübt; meiner Frau sogar Thränen ausgepreßt. Die Wiener mögten nun gern die Schande von sich wälzen, daß sie ihn haben darben lassen; das Faktum läßt sich aber nicht leugnen und alle Declamationen dagegen werden nicht helfen. Ich weiß es aus einem eignen Briefe von ihm, daß er Noth gelitten hat. Sein Begräbnis war sehr glänzend! So sind die Deutschen! ...