Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,105

Sr. Wohlgeb
Herrn Wilhelm Speyer
in
Offenbach a/m


Cassel den 13ten Januar
27.

Geliebter Freund,

Gestern habe ich endlich mein Oratorium1 zurückerhalten, (und wahrscheinlich nur so bald durch Ihre Vermittelung,) allein es fehlen eine Menge Stimmen, obgleich ich Herrn Guhr ein Verzeichniß der sämtlichen, ihm überlassenen Stimmen beygelegt und ihn gebeten hatte, nach diesem sie wieder einsammeln und einpacken zu lassen. Ich habe die fehlenden auf einem beyliegenden Blatte näher bezeichnet und muß nochmals Ihre Gefälligkeit in Anspruch nehmen, indem ich Sie bitte, Herrn Guhr dieses Blatt zuzusenden mit der Weisung, daß er mir diese fehlenden Stimmen, die zum Theil nicht einmal mir gehören, sogleich nachsende, weil ich sie sonst auf seine Kosten müßte ausschreiben lassen.
Ferner erhalte ich von ihm beyliegenden Brief2, der eine Anfrage enthält, die ich nicht begreife und auf die ich daher auch nichts zu antworten weiß. H. Guhr hat in einem Briefe3 an mich die Zusage gemacht, von dem Ertrage seines Concerts ein Honorar von (we[nn] ich mich recht besinne) 5 Carolin, welches ich ihm für die Mittheilung meines Werks und dem Herleihen sämtlicher Orchester- und Gesang-Stimmen verlangt hatte, an den dortigen Griechenverein in meinem Namen auszuzahlen. Ich kann daher kaum glauben, daß er deshalb erst noch einmal bey mir anfrage. Sollte es aber nöthig seyn, ihn an seine Zusage zu erinnern, so hätten Sie wohl die Güte, es in meinem Namen zu thun und sich auf den Inhalt dieses Briefs zu berufen.
Moscheles hat vorgestern ein sehr besuchtes Concert im Theater gegeben und ist gestern nach Elberfeld abgereiset. Sein Spiel und seine K[om]positionen (g moll Concert und Vari[ationen über] au claire de la lune) haben gleich sehr gefallen, weniger seine freye Phantasie.4 – Hauser hat sich dadurch, daß er in Frankfurt unterhandelte (eigentlich nur um uns höher hinauf zu schrauben) um sein hiesiges Engagement gebracht und ist jetzt in größter Verlegenheit, da er hier und in Frankfurt nichts ist.5 Wir bekommen nun Ostern Sieber aus Berlin.6

Herzliche Grüße an alle die lieben Ihrigen
Stets mit inniger Freundschaft ganz der Ihrige
Louis Spohr.



Dieser Brief folgt in dieser Korrespondenz auf Spohr an Speyer, 03.01.1827. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Speyer, 01.02.1827.

[1] Die letzten Dinge.

[2] Vgl. Carl Guhr an Spohr, 09.01.1827.

[3] Dieser Brief ist derzeit verschollen.

[4] Moscheles fantasierte u.a. über Spohrs Jessonda (vgl. [Charlotte Moscheles], Aus Moscheles’ Leben. Nach Briefen und Tagebüchern, Bd. 1, Leipzig 1872, S. 134

[5] Vgl. Reinhard Lebe, Ein deutsches Hoftheater in Romantik und Biedermeier. Die Kasseler Bühne zur Zeit Feiges und Spohrs (= Kasseler Quellen und Studien 2), Kassel 1964, S. 105.

[6] Vgl. „Berlin im März”, in: Morgenblatt für gebildete Stände 21 (1827), S. 272, 276, 280 und 284, hier S. 284

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (29.02.2016).