Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Bischoff, G.F.:1

Sr Wohlgeboren
Herrn Hof-Capellmeister Louis Sphor1
zu
Cassel

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Hildesheim, d 11ten Jan 27.

Geehrter Freund!

Ihre liebe Zuschrift vom 23ten Octbr beantworte ich erst jetzt, und ich glaubte wirksamer für Ihr so willkommenes Anerbieten wegen dem Clavier-Auszuge des Orat. seyn zu können, als es mir gelungen ist. An mehreren Orten wohin ich das EinladungsSchreiben schickte, erhielt ich die Nachricht, daß man schon subscribirt habe, z. B. in Hannover von Sutor und dem Cantor Crusius bei Hausmann3, in Braunschweig Hasenbalg; von andern Orten (auch aus Thüringen nicht) habe ich bis jetzt noch keine Nachricht erhalten, was denn auch diesen Brief verzögert hat.
Hier in Hildesheim ist leider der Sinn für solche classische Musik sehr gesunken; so daß ich nur für einen Person allein als Subscribent mich anmelden kann, und ich bitte mir 1 Ex. gefälligst zukommen zu lassen.
Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir folgende Anfrage:
Hier lebt ein junger Mann, welcher früher Mathematik und Baufach studirt hat, auch als Genannter bisher von den Behörden Aufträge erhielt. Dieser – wohl einsehend, daß eine Anstellung in seinem Fache so bald nicht geschehen wird – wünscht, da er ganz unbemittelt ist, zum Theater zu gehen. In der Musik ist er hier der erste und beste Dilettant. Seine Methode im Gesang – er singt hohe Haßparthien – ganz vortrefflich, und hat seit der letzten Zeit bei allen meinen Aufführungen die Hauptparthien übernommen. Er ist so sicher und fest im Treffem, daß Sie ihm das schweste vorlegen können. Vor 2 Jahren bot Sutor in Hannover ihm gleich zum Anfang 600 Rth. wenn er zu dasigem Theater gehen wollte; allein damals hatte er aber sehr günstige anderweitige Aussichten, auch will er nicht gern in Hannover diese Laufbahn beginnen.
Können Sie diesen jungen Mann nicht in Cassel bei Ihrer Oper anstellen? – Es versteht sich von selbst, daß er zum Anfang als Chorist eintritt und sich jeder Prüfung unterzieht.4 Ich bürge übrigens dafür, daß Sie ihn so beschaffen werden finden, wie ich ihn geschildert, und daß Sie ihn auch seh bald hervorziehn werden. Dieser junge Mann heißt: Arendt und kann jeden Augenblick kommen. Sie haben ihn schon einmal beim Weltgericht als Satan gehört5, damals in Quedlinburg wohin er als Göttinger Student kam; seit der Zeit hat er sich aber sehr ausgebildet und seine Stimme ist kraftvoller geworden. Übrigens ist er mit Allem zufrieden, was Sie ihm als Gage festsetzen können, und wenn er auch nur das, was jeder Chorist bekommt, anfangs erhält.
Sie würden mir, verehrter Freund, einen sehr großen Gefallen erzeigen, wenn Sie auf diesen vorgeschlagenen jungen Mann, welcher zugleich ein sehr guter Freund von mir ist, Rücksicht nehmen könnten, und mir so bald als möglich nur ein Paar Worte Nachricht gewogentlich zukommen lassen wollten. Sein Entschluß ist so fest, daß er, wenn es in Cassel nicht geht, sich nach Braunschweig wenden will. Bei Bedarf nur eines Ja oder Nein von Ihrer Hand, und indem ich darauf hoffe, empfehle ich mich Ihnen und Ihrer verehrten lieben Familie mit gefühlter Hochachtung, und grüße Sie Alle tausendmal wohl innig und herzlich!

der Ihrige
G.F. Bischoff

Ein sehr vortrefflicher Contrabassist6 ist jetzt hier, welcher eine Anstellung sucht.

Autor(en): Bischoff, Georg Friedrich
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Arendt, Franz Joseph
Crusius, Gottlob Christian
Hasenbalg, Johann Friedrich
Hausmann, Bernhard
Sutor, Wilhelm
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Die letzten Dinge
Erwähnte Orte: Braunschweig
Hannover
Hildesheim
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Braunschweig>
Hoftheater <Hannover>
Hoftheater <Kassel>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1827011143

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohrs Subskriptionsaufruf zu seinem Oratorium Die letzten Dinge, dessen an Bischoff gerichtetes Exemplar vom 23.10.1826 derzeit verschollen ist. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Bischoff an Spohr, 24.05.1833.

[1] Sic!

[2] Auf dem Adressfeld befindet sich der Poststempel „HILDESHEIM / 12 JAN:“, auf der Rückseite des zusammengefalteten Briefumschlags befindet sich der Poststempel „13JAN1827“.

[3] Vgl. Spohr an Bernhard Hausmann, 17.02.1827.

[4] Franz Joseph Arendt wurde offensichtlich nicht in Kassel eingestellt, trat aber 1837 die Stelle des Dom-Kapellmeisters in Hildesheim an (Karl Bauer, Geschichte von Hildesheim von dem Anfange bis zur Gegenwart, Hildesheim 1892, S. 232 und 234f.).

[5] Sein Name ist nicht genannt in: „Musikfest zu Quedlinburg”, in: Literarisches Conversationsblatt 21.11.1820, nicht paginiert.

[6] Noch nicht ermittelt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (13.04.2022).