Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,104

Cassel den 3ten
Januar 27.

Geliebter Freund,

Sie sind meiner Anzeige von Emiliens Verlobung mit Ihrem Glückwunsch zuvorgekommen. Daher nur noch nachträglich einiges Nähere. Der Bräutigam heißt Zahn, ist der Sohn des hiesigen Hofposamentier, eines der reichsten Bürger in Cassel. Obgleich selbst auch Posamentier ist er doch ein vielseitig gebildeter junger Mensch, der eine sorgfältige Erziehung genossen hat und sich zuletzt auf Reisen vollends ausgebildet. Der Vater setzt sich jetzt in Ruhe und übergiebt das ganze weitläuftige Geschäft dem Sohn, der das Zutrauen des Kurfürsten besitzt und von diesem für das neue Schloß Aufträge erhalten hat die ihn in Stand setzen mehrere Jahre 50-60 Menschen zu beschäftigen. Er ist der einzige Sohn und wird nebst 2 jüngern Schwestern den Vater einst beerben; besitzt aber auch schon jetzt ein eigenes Vermögen vom Großvater der ihm erlaubt sein Geschäft und den damit verbundenen Handel im Großen zu betreiben. Die jungen Leute scheinen sich sehr lieb zu haben und wir dürfen daher hoffen auch Emilien so glücklich zu sehen wie es Ida ist.
Guhr hat mir das Oratorium noch nicht zurückgeschickt und wenn Sie sich der Sache nicht gütigst annehmen, so werde ich noch lange warten müssen. Und doch sollen noch 17 Abschriften der Partitur gemacht und eigentlich vor Ende dieses Monaths verschickt werden. Wie sehr ich daher nach der Partitur verlange damit wenigstens der Anfang mit dem Abschreiben gemacht werden könne und wie ungeduldig ich bin, können Sie sich leicht denken. Haben Sie daher doch die Güte, von irgend jemand die Musik zusammenpacken und auf die Post besorgen zu lassen. Ob Guhr ohne Erinnerung mir die Quittung über das von ihm an den Griechenverein zu zahlende Geld übersenden wird1, werde ich sehen, doch bezweifle ich es fast. –
Vom Oratorio sind bis jetzt 450 Exemplare bestellt; doch fehlen noch die Antworten aus sehr vielen Städten. Leider hat sich die Arbeit mehr in die Länge gezogen als ich anfangs dachte und vor Anfang der 2ten Hälfte dieses Monaths werde ich wohl an kein Versenden denken können. Die Ausgabe wird sehr korrekt und ist recht schön lithographirt; der Abdruck ist aber nicht so schön wie ich gedacht hatte und der Grund davon der, daß wir hier kein ungeleimtes Papier von der nöthigen Größe bekommen konnten.
Schelble hat zu Hauptmann gesagt, daß er im Sinn habe mit seinem Verein mein Oratorium ebenfals einzustudiren und daß er dann hoffe, daß ich ihm ebenfalls die Orchesterstimmen leihen werde. Dieß werde ich gern thun, wenn er nur erst meine Subskriptionsaufforderung bey seinem Verein wollte zirkuliren lassen. Vielleicht finden Sie einmal Gelegenheit ihn daran zu erinnern.
Ich arbeite jetzt am 3ten Quartett. –
Daß ich von Robert keine Oper bekomme2, wird Ihnen Hauptmann wohl erzählt haben; ich habe mich nun an Wilh. Müller in Dessau gewandt3, aber noch keine Antwort.4
In einigen Tagen wird Moscheles hier Concert geben; auch Ries und Aloys Schmidt erwarten wir diesen Winter hier zu sehen. – Im vorigen Abonnementsconcert habe ich mein neues Concert gespielt – erträglich – Von allen den Unsrigen die herzlichsten Grüße. Mit inniger Freundschaft stets der Ihrige Louis Spohr.



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Speyer an Spohr. Der nächste Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Speyer, 13.01.1827.

[1] Spohr hatte Carl Guhr das Aufführungsmaterial zu Die letzten Dinge unter anderem unter der Bedingung überlassen, dass Guhr 6 Louisd'or in Spohrs Namen an den Frankfurter Griechenverein spende (vgl. Spohr an Speyer, 02.08.1826). 

[2] Vgl. Spohr an Ludwig Robert, 05.12.1826 und Robert an Spohr, 14.12.1826.

[3] Dieser Brief ist derzeit verschollen.

[4] Vgl. Wilhelm Müller an Spohr, 08.01.1827.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (26.02.2016).