Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sr. Wohlgeboren
dem Churfüstl. Hessischen Kapellmeister
Herrn L. Spohr
Cassel.

frei.1


Ludwigslust d 22 Dec. 1826.

Sehr geehrter Herr Kapellmeister!

Recht dringend muß ich um Verzeihung bitten, Ihre verehrliche Zuschrift vom 20ten Octob. bis dahin unbeantwortet gelassen zu haben, doch lag die Schuld nicht ausschließlich auf mich; ich würde es mir nämlich zur wahren Freude haben gereichen lassen, wenn es mir möglich gewesen wäre Ihnen in Ihrem Unternehmen recht nützlich gewesen seyn2 zu können, deshalb schrieb ich noch nach verschiedenen Städten Mecklenburgs zb. Schwerin, Wismar, Rostock, Parchim, und schickte eine Abschrift Ihres Schreibens bei, weil es in diesen Städten Gesangvereine giebt, doch wenn man nicht selbst zu Stelle ist, wissen Sie wohl wie das geht; kurz, ich erhielt zum Theil ungünstige, zum Theil auch bis heute noch gar keine Antwort. Da Ihr Werk angeblich bis Neujahr versandt werden soll, so glaube ich keinen Augenblick länger zögern zu dürfen, Ihnen wenigstens zu melden welche Früchte ich hier auf ebenfalls unfruchtbarem Boden für Sie gewonnen habe. Leider auch wenige, und nur die, welche ich persönlich gepflückt habe, das hießt, zu nachstehenden Personen, mit denen ich mich auf eine gewisse Weise gut stehe – wie man zu sagen pflegt – gieng ich selbst, hin mit Ihrem Unternehmen bekannt machend und reeichte bei jedem meinen Zweck, doch bei vielen andern Personen in der Stadt, zu denen ich einen Kapelldiener sandte, war die Mühe völlig umsonst. Da die Namen der Unterzeichner dem Werke vorgedruckt werden sollen, so führe ich den vollständigen Titel jedes einzelnen mit an. Nämlich: Sr Königl. Hoheit der Großherzog von Mecklenburg Schwerin 1 Expl. und Partitur (weiter und ein mehreres über letztere.) Sr Königl. Hoh. der Erbgroßherzog von Mecklb. Schwerin, 1 Expl. Sr Excell. der Herr Oberhofmeister, außerordentliche Gesandte und bevollmächtigte Minister am König. Preuß. Hofe, Freiherr von Lützow, 1 Expl. Se Hoheit der Herzog Carl von Mecklb. Schwerin, 1 Expl. der Großherzog. General-Major H. von Both, Ritter ect. ect. 1 Expl. der Großherzogl. Oberstallmeister u Kammerherr H. von Ranzau 1 Expl. die Großherzogl. Musikal. Bibliothek 1 Expl.der Großherzog. Hofrath Herr Holm (in Schwerin) 1 Expl. Zusammen also 8 Exemplare und 1 Partitur. Ich für mein Theil mache von Ihrem gütigen Anerbieten welches Sie Sammlern von Unterschriften zugestehen, Gebrauch und unterzeichne mch demnach ebenfalls mit 1 Expl. da ich das Werk doch auch gerne besitzen mögte. Wenn ich mich nun ferner auch noch für Sie, als meinen so hohen Priester in dem heiligen Museum-Tempel, recht gern dazu verstehe die Exemplare den Empfängern abliefern und das Geld dafür einkassiren zu wollen, so erlauben Sie mir, daß ich darin mit der Partitur an den Großherz.3 – wenn Sie gesonnen sind sie zu überlassen – eine Ausnahme mache, da es mir, wie ich aus Erfahrung weiß, sehr empfindlich seyn würde, wenn ich genöthigt wäre, wegen Zahlung des Honorars mehreremale wieder anzufordern. Desfals muß ich s[o] frei seyn Sie zu bitten mit einem Schreiben an den Großherzog selbst verabfolgen zu lassen, worin Sie sich darauf berufen, daß derselbe mir den Befehl4 mündlich ertheilt habe, ihm die Partitur zu verschaffen, da er den Wunsch geäußert habe die ganze Musik aufführen zu lassen. Sodann stelle ich es Ihrem eigenen Gutachten anheim, ob Sie Willens sind eine bestimmte Summe als Honorar dafür in Ihrem Schreiben festzustezen, oder ob Sie es der Freigebigkeit des Großherzogs allein überlassen wollen. Meinerseits so würde ich (aufrichtig gesprochen) so weit ich den Großherz. kenne, nicht gerade das erstere thun, jedoch in dem Schreiben zu verstehn geben, daß Sie ein dem Werke angemessenes Honorar dafür erwarteten, weil wie es mir fast5 schien er vielleicht glauben mögte, die Partitur sey auch für ihn (obgleich er Ihr Unternehmen nicht besonders wohlwollend unterstützt) lediglich gegen Erstattung der Abschreibgebühren zu haben. – Doch darf ich nicht vergessen Ihnen noch zu melden daß, da doch die Einsendung nicht auf directem Wege geschehen kann, es wohl am zweckmäßigsten ist, die Partitur, begleitet mit einigen Zeilen6 an den Großherzogl. Cabinetts-Secretair Hoese ergehn zu lassen, dessen Sache es auch ist das Honorar zu zahlen.
Schlüßlich empfehle ich mich Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin auf das angelegentlichste und beehre mich zu zeichnen als

Ihr ergebenster
Wilhelm Braun.



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohrs Subskriptionsaufruf für sein Oratorium Die letzten Dinge, dessen an Braun gerichtetes Exemplar vom 20.10.1826 derzeit verschollen ist. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Braun an Spohr, 18.07.1835, aus dem hervorgeht, dass Braun auch Empfänger von Spohrs Subskriptionsaufruf für sein Oratorium Des Heilands letzte Stunden war, dessen an Braun gerichtetes Exemplar derzeit ebenfalls verschollen ist.

[1] Auf dem Adressfeld befindet sich rechts oben der Poststempel „LUDWIGSLUST / 23. DECEMBER“, rechts unten der Stempel „HAMBURG / 26. Dec“, auf der Rückseite des zusammengefalteten Briefumschlags der Stempel „29DEC18[35]“.

[2] „seyn“ über der Zeile eingefügt.

[3] „an den Großherz.“ über der Zeile eingefügt.

[4] „Befehl“ über eingeklammerten „Auftrag“ eingefügt.

[5] „fast“ über der Zeile eingefügt.

[6] Spohrs Brief an Hoese im März 1827 ist derzeit verschollen.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (06.02.2023).