Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Ew Wohlgebohren

verehrliches Schreiben vom 20t 7br beantworte ich erst Heute, theils weil ich erst Gestern vom Bade zur Stadt gekommen bin, theils und hauptsächlich aber, weil ich Ihren Vorschlag in reifliche Ueberlegung ziehen mußte, um Ihnen nicht wieder eine unbestimmte Antwort zu geben. Erlauebn Sie mir nun, von allen überflüßigen Formen zu abstrahiren und Ihnen den ungeschminkten Inhalt meines Entschlußes mitzutheilen.
1) Soll hier die Rede von einer Produktion seyn, die ich wie aus Liebe zur Kunst und zu meiner eigenen Schöpfer-Freude erfreue, zu meinem eigenen Genuß ausführe, so muß ich den Moment der Begeisterung für die Erfindung, und Stunden der Muße für die Ausführung abwarten Da ich nun nicht wißen kann, welches Buch, welches Gespräch, welches Munstwerk oder welch sonstiger äußerer Anstoß mich den Stoff wird finden lassen und wann mir die nöthige Zeit zu dessen Bearbeitung gegönnt seyn wird; so kann ich auch, in diesem Falle, unmöglich bestimmen, wann ich das Werk beginnen und noch weniger, wann ich es vollenden kann. Ein solches Werk wäre mir keine Arbeit, sondern eine reine Freude, und es sollte mir daher eine Genugthung seyn, Ihnen ein kasolches, ohne irgend ein Honorar, zu überlassen.
2) Soll aber von einer Arbeit die Rede seyn – d. h. soll ich andere einträgliche und zu meinem Unterhalte nothwendige Arbeiten liegen lassen und diese vornehmen; soll ich eine Reihe Vorarbeiten beginnen, um mich in die Stimmung zu versetzen einen Stoff zu erfinden oder ausfindig zu machen; soll ich dann an die Ausführung gehen und diese in einer bestimmen Frist vollenden; die nöthige Korrespondenz mit Ihnen führen und nach Ihrem Willen (was des Operndichters Pflicht ist) ändern – soll ich endlich (was ich immer so zu halten gewohnt bin) meine Arbeit zurücknehmen, wenn Sie Ihnen nicht anspricht, Ihren kritischen Kunstfreunden nicht behagt – dann muß mir eben meine Arbeit bezahlt werden und ich kann, so wie ich zu dem deutschen Buchhandel gestellt bin, keine Operndichtung unter einem Honorar von fünfhundert Gulden schreiben.
3) Sehe ich ein, daß diese Forderung Ihnen vielleicht zu große seyn dürfte, und daher bin ich so frei, Ihnen den Herrn von Holtei in Berlin als einen Mann vorzuschlagen, der, meines Erachtens, alle Talente und Kenntniße besitzt, um ein braves und eindringliches Operngedicht zu schreiben; und der überdies mit weit mehr Leichtigkeit arbeitet, als ich; ujnd daher seine gewiß gute Arbeit nicht so hoch anschlagen wird, als ich die meinige.
Nehmen Sie diesen Vorschlag als einen Beweis meiner Uneigennützigkeit, keineswegs aber so als wenn ich der Freude entsagen wollte, mich mit Ihnen zu einem Werke der Kunst zu verbinden.
Endlich rathe ich nicht zu einer Oper im äußerst-strengen Style, und eine solche ist immer eine die ganz rezitativisch ist. Ich – ehre und liebe diese Gattung, aber theils ist sie nicht ander Zeit (aus Schuld der Zeit) theils sind unsere Sänger und Sängerin1 noch lange nicht auf dem Kothurn des grandiosen Rezitativs.
Hier haben Sie also meine ungeschminkte Entschließung. Ueberlegen und beschließen Sie.

Mit Achtung und Ergebenheit
Ihr
L Robert

Karlsruhe d 16t 8br 1826

Adresse H Ludwig Robert in Carlsruhe
Gherz. Baden

Autor(en): Robert, Ludwig
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Holtei, Carl von
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1826101649

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Robert, 20.09.1826. Spohr beantworrtete diesen Brief am 21.10.1826.
Robert erwähnte diesen Brief gegenüber seiner Schwester Rahel Varnhagen am 30.11.1826 (in: Rahel Levin Varnhagen, Briefwechsel mit Ludwig Robert, hrsg. v. Consolina Vigliero, München 2001, S. 476-479, hier S. 477).

[1] Sic!

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (04.07.2022).