Autograf: Biblioteka Jagiellońska Kraków (PL-Kj), Sign. Ms. Berol. Varnhagen-Sammlung 237, Spohr

Cassel den 20sten Sept
26.
 
Wohlgeborener,
Hochgeehrter Herr,
 
Der Gedanke, von Ihnen eine Operndichtung zur Komposition zu erhalten, war mir schon zu werth geworden, als daß ich ihn nun so gleich aufgeben könnte. Auch sprachen Sie ja Ihre Bereitwilligkeit für die Zukunft auf das Wohlwollendste aus. Ich will daher in Ruhe warten, bis Ihre Geschäfte Ihnen erlauben werden, an mich zu denken!
Freilich wäre es mir, meiner Verhältnisse wegen, sehr lieb gewesen, wenn ich bis zum Geburtstage des Kurfürsten (28sten Juli) eine neue Oper hätte fertig bringen können, da ich schon 2 Jahre pausirt habe. Dann hätte ich aber freilich Neujahr spätestens mit der Arbeit beginnen müsen, da ich zu einer großen Oper wenigstens 6 Monath Zeit gebrauche. Die Dichtung brauchte indessen Neujahr noch nicht vollendet zu seyn; wäre mir der Plan entworfen in Scenen abgetheilt und einiges ausgearbeitet, so könnte ich immer beginnen! Doch, ich sehe, daß ich unbescheiden dränge; gern warte ich auch, bis Sie die ruhigste Muße zu einer solchen Arbeit finden.
Ihrer Äußerung, daß der Dichter einer Oper weder Ruhm noch Lohn zu erwarten habe, glaube ich, wenigstens was die erste Hälfte betrifft, wiedersprechen zu können. Die Deutschen sind endlich, wie die Franzosen längst, dahin gekommen, an einer Operndichtung dieselben Anforderungen der Kritik zu machen wie an ein Trauer- oder Lust-Spiel und es war in den Berichten über die, in den letzten Jahren erschienenen Opern, mehr von der Dichtung wie von der Musik die Rede. Ich erinnere Sie nur an die Beurtheilung öffentlicher Blätter über Euryanthe und Jessonda. Aber Lohn, der Arbeit angemessen, wird freilich, im Vergleich mit unsern westlichen Nachbarn weder dem Dichter noch dem Komponisten und ein fingerfertiger Übersetzer mag bey uns leicht mehr verdienen, wie ein Originaldichter. Den eigentlichen Ansporn zur Arbeit kann daher, wie Sie richtig bemerken, nur die Liebe zur Kunst geben.
Indem ich Ihnen nun abermals meine Wünsche an’s Herz gelegt habe, bitte ich um eine baldige gütige Entscheidung. Der Gedanke, mit Ihnen zu arbeiten ist mir so werth geworden, daß ich ihn mit sehnsüchtiger Ungeduld entgegen harre.
Mit innigster Hochachtung und Ergebenheit ganz
 
der Ihrige
Louis Spohr.
 
NS. Auch um gefällige Mittheilung der Bedingungen unter welchen Sie sich der Arbeit unterziehen werden, bitte ich ergebenst, so wie um gütige Mittheilung Ihrer Adresse.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Robert, Ludwig
Erwähnte Personen: Wilhelm II. Hessen-Kassel, Kurfürst
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Jessonda
Weber, Carl Maria von : Euryanthe
Erwähnte Orte: Kassel
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Kassel>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1826092019

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Robert an Spohr. Robert beantwortete diesen Brief am 16.10.1826.
Robert erwähnte diesen Brief gegeüber seiner Schwester Rahel Varnhagen am 30.11.1826 (in: Rahel Levin Varnhagen, Briefwechsel mit Ludwig Robert, hrsg. v. Consolina Vigliero, München 2001, S. 476-479, hier S. 477).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (14.08.2017).