Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Wolfram:1

Wohlgebohrner
Besonders verehrter Herr!

Längst verehrte ich Sie ohne von Ihnen gekannt zu seyn in Ihren genialen Werken, und daß dieses Bekenntniß welches ich so glücklich bin, der gefeierten Künstler selbst zu machen, einigen Werth haben dürfte, möchte ich aus meiner enthusiastischen Neigung zur schönsten der Künste, folgen; denn nicht Nachbetung ist es, was ich spreche, sondern reine eigene Uiberzeugung, die mir den hohen Werth Ihrer unerreichbaren musicalischen Schöpfungen versichert.
Glücklich würde ich mich schätzen, wenn auch mein geringes Talent von dem Manne, den wir gleich Mozart verehren, nur einigermassen gewürdiget würde. Ich lasse diesen Wunsch in Gewißheit übergehen; denn Sie waren es ja, der einst in einem öffentlichen Blatte einen Aufruf an deutsche Tondichter erließ, sich der deutschen Muse anzunehmen1, und da ich wenigstens den Willen besitze, mich unter diese Fahne zu stellen, so kann mein reges Streben nicht verkannt, sondern ich glaube, es wird vielmehr geachtet werden. – Schon mit meinem Alfred würde ich einen guten Willen beurkundet haben, hätte man nicht dem Sujet mancherley Ausstellungen gemacht2, die ich zwar später, und wirklich mit gutem Erfolge benützt; – nun aber krönte meinen zweiten Versuch, nemlich die Composition der bezauberten Rose, eine herrliche Aufnahme in jeder Beziehung3, und ich glaube daher besser zu thun, dieses musicalisch-dramatische Werk zuerst in die größere Welt einzuführen. Indem ich dasselbe unter Einem der Generaldirection in Kassel anbiethe, erlaube ich mir um Ihren kräftigen Schutz, und um sorgfälgige Pflege dieses zarten Kindes zu bitten. Ich bin überzeugt, daß Ihr allvermögendes Gutachten mir eine günstige Vorbescheidung versichern wird, und indem ich hiemit daraum wiederholt bitte, habe ich die Ehre mit ausgezeichneter Hochachtung zu verharren

Euer Wohlgebohren
ganz egbstr4 JosephWolfram
Advokat und Bürgermeister
zu Teplitz.

Teplitz d. 25 Juni 8265

Autor(en): Wolfram, Joseph (Komponist)
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen: Wolfram, Joseph : Alfred
Wolfram, Joseph : Die bezauberte Rose
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Kassel>
Ständetheater <Prag>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1826062546

Spohr



Wolfram wandte sich am gleichen Tag in gleicher Sache auch an den Kasseler Theaterdirektor Karl Feige.

[1] Louis Spohr, „Aufruf an deutsche Komponisten”, in: Allgemeine musikalische Zeitung 25 (1823), Sp. 457-464.

[2] Vermutlich „Aus Prag. ,Alfred,‘ romantische Oper von Kotzebue, in Musik gesetzt von Wolfram“, in: Allgemeine Theaterzeitung und Unterhaltungsblatt 18 (1825), S. 352. Weitere bislang ermittelten Kritiken sind positiv (vgl. D.E., „Prag, am 25, März 1825“, in: Abend-Zeitung <Dresden> (1825), S. 392; „[Von Prag geschieht Meldung einer neuen Oper]“, in: Iris (1825), S. 360; „Prag“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 27 (1825), Sp. 363ff., hier Sp. 365).

[3] Vgl. „Prag. Repertoire dieser Bühne“, in: Allgemeine Theaterzeitung 19 (1826), S. 327f., hier S. 328; „Aus Prag“, in: ebd., S. 367; „Prag, im Juny 1826“, in: Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode (1826), S. 785; „Miscellen aus Prag“, in: ebd., S. 867; „Prag, den 4. Junius 1826“, in: Berliner allgemeine musikalische Zeitung 3 (1826), S. 191f.

[4] Offensichtlich Abk. f. „ergebenster“.

[5] Auf der zweiten Briefseite befindet sich links unten von Spohrs Hand der Vermerk: „Dame blanche / der Maurer / die Rosenmädchen / und Oberon“.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (27.09.2022).