Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,96

Sr. Wohlgeb
dem Herrn Wilhelm Speyer
in
Offenbach a/m


Cassel den 24sten May
26.

Geliebter Freund,

Nach einer etwas langen und langweiligen Fahrt von mehr als 26 Stunden sind wir gestern früh 1 Uhr hier glücklich wieder angekommen. Ich habe viele, gleich zu beantwortende Briefe angefunden und daher den ganzen Tag am Schreibtisch gesessen. Morgen fangen die Theatergeschäfte wieder an; heute über 8 Tage wird aber für 6 Wochen geschlossen. Diese Zeit werde ich zum Theil zu einem Besuche bey meinen Eltern1 und Brüdern2 in Braunschweig verwenden. Dort gedenke ich auch die erste Aufführung von Faust zu erleben und wenn man es wünscht, zu dirigiren. Auf dem Rückwege wollen wir die interessanten Punkte des Harzes besuchen.
Daß ich Herrn Pensa nicht zu Haus traf, auch nicht konnte rufen lassen; daß ich das Billet von Ihnen zwar dort ließ, so wie die Weisung, mir die Antwort in den Schwan vor 9 Uhr gefälligst einzusenden; daß ich aber keine erhielt, weil H Pensa wahrscheinlich vor 9 Uhr nicht zu Haus gekommen ist, wissen Sie wahrscheinlich schon alles. Ich bitte Sie nun, mir das Geld, wie Sie es willens waren, durch Hrn. Hamberg gefälligst zu überweisen und diesen in meinem Namen zu bitten, daß er es, wenn ich nicht hier seyn sollte in unserm Hause an meine Schwägerin3 abgeben möge, die nicht mit nach Braunschweig reisen wird. Zugleich läßt meine Frau Ihre Frau Mutter ersuchen, ihr einige (2-3) Filet-Mützen4 einzukaufen und mitzuschicken, im Fall Herr Hamberg sich damit befassen will.
Unter herzlichen Grüßen von uns allen an die lieben Ihrigen stets

Ihr
Sie innig liebender
L. Spohr.

NS. Unser talentvoller Violinist [und] Komponist Otto Gerke will während der Ferien eine Reise nach Frankfurt und Wiesbaden machen. Geben Sie ihm doch Gelegenheit, Ihnen bey sich seine Kompositionen vorzuspielen und kann es seyn, so lassen sie André dabey seyn, weil Gerke gern mit diesem als Verleger Bekanntschaft anknüpfen mögte. Gerke’s Talent als Geiger und Komponist wird Ihnen Freude machen!



Dieser Brief schließt an Spohr an Speyer, 09.06.1826 an. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Speyer, 06.07.1826.

[1] Ernestine und Carl Heinrich Spohr.

[2] Wilhelm und August Spohr.

[3] Wilhelmine Scheidler.

[4] Vgl. Charlotte L[eidenfrost], Handbüchlein zur angenehmen und nützlichen Beschäftigung für junge Damen oder Encyclopädie der vorzüglichsten weiblichen Kunstarbeiten [...], Wien 1828, S. 163-169. 

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (24.02.2016).