Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,93

Sr. Wohlgeb
Herrn Wilhelm Speyer
in
Offenbach a/m


Cassel den 6sten Aprill
26.

Geliebter Freund,

Was Sie mir von den Intrigen der Frankf. Direktion und der dortigen Kunst-Mäzene1, um die Heinefetter zu einem Contractbruch zu veranlassen, schreiben, beunruhigt mich gar nicht in dem Grade, daß ich fürchten könnte, es werde ihnen damit gelingen; um aber der Familie Heinefetter Verdruß, und den Herren, die so freiwillig die Strafe zusammenschmeißen wollen, Verdruß und unnöthige Mühe zu ersparen, wäre es doch gut, wenn man die Heinefetters erinnerte, doch mehrmals den Contract (der, wie mir eben einfällt, aber vielleicht von Willemer verwahrt wird,) durchzulesen; Sie würden dann finden, daß die Bezahlung der 100 L. Strafe, die für die Nichterfüllung eines Artikels (z.B. dafür, wenn die Heinefetter nicht auf den bestimmten Tag hier eintrifft,) stipulirt sind, den Contract keineswegs aufheben können und es in einem eigenen § heißt: Daß jeder Theil auch nach Bezahlung der Strafsumme, gerichtliche Hülfe auffordern kann, um den andern Theil zur Erfüllung der Contractverbindlichkeit zu zwingen. – Sie können leicht denken daß unsere Direktion, nachdem Sie ein mal von einer Sängerin angeführt war, nun vorsichtiger gewesen ist. Im schlimmsten Fall würde unser Gesandter in Frankfurt, die Verfolgung der Sängerin verlangen und der Kurfürst sie mit Gendarmen hieher escortiren lasse, wenn es Noth thäte. Es sollte mir aber leid thun, wenn die Heinefetter, von Guhr und andern aufgehetzt, nicht gern hieher ginge oder sich gar durch unnützes Widerstreben Verdruß zuzöge, da ich überzeugt bin, daß es ihr, wenn sie erst hier ist, sehr gefallen wird. Sie könnten sich daher, sowohl um uns, wie auch um die Heinefetter selbst, sehr verdient machen, wenn Sie die Güte hätten, zu ihr zu gehen und ihr alles dieß vorstellten; auch ihr sagten, daß alles, was ich ihr Gutes und Ange[nehmes] von Cassel gesagt habe, vollkommen [wahr ist] und es ihr hier sicher gefallen werde.
Sie hätten dann wohl die Güte mir den Erfolg dieses Besuchs, so wie die Äußerungen der Familie zu melden? – Auch mögte ich gerne wissen, ob die Contrakte der dortigen Direktion stillschweigend ein Jahr prolongirt werden, wenn von keinem Theil die Kündigung erfolgt; und wie lange vorher Kündigung erfolgen muß? Denn ist der Contract der Familie Heinefetter auf diese Weise ausgestellt, so müssen wir Sorge tragen, daß der Kündigungsmoment nicht versäumt wurde. – Verzeihen Sie, daß ich Sie schon wieder mit einem Auftrage beschwerde!
Herzliche Grüße an die lieben Ihrigen. Im nächsten Briefe hoffe ich Ihre Zusage, nach Düsseldorf zu kommen, zu finden.
Mit inniger Liebe stets der Ihrige
Louis Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Speyer, Wilhelm
Erwähnte Personen: Bethmann, Simon Moritz von
Guhr, Carl
Heinefetter, Eva
Heinefetter, Sabine
Manskopf, Jacob Wilhelm
Willemer, Johann Jakob von
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Düsseldorf
Frankfurt am Main
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Kassel>
Stadttheater <Frankfurt am Main>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1826040602

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Speyer an Spohr, 01.04.1826. Speyers Antwortbrief ist derzeit verschollen.

[1] Laut Vorbrief Manskopf, Bethmann und andere.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (24.02.2016).