Autograf: Historisches Archiv des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg, Sign. Autographen K. 27
Druck: Louis Spohr, Die letzten Dinge, hrsg. v. Irene Schallhorn und Dieter Zeh, Stuttgart 2008, S. XII
[Beleg 1?: Verzeichniss einer ausgezeichneten Sammlung von Autographen sowie einer Auswahl von Autographen-Albums, autographischen Seltenheiten, Autographen- und Geschenk-Literatur (= Katalog Schulz 3), Leipzig 1862, S. 10]
[Beleg 2: „Vom Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Auszug aus dem 48. Jahresbericht“, in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel und die verwandten Geschäftszweige (1902), Nr. 63, S. 2389]

Cassel den 1sten März
26.
 
Geehrtester Freund,
 
Unser Oratoriums liegt nun vollendet vor mir. Schon vor 3 Wochen hatte ich den 2ten Theil beendigt, aber auch die Überzeugung gewonnen daß er, trotz der späteren Zusätze doch noch die für eine Aufführung übliche Zeit nicht ausfülle. Der 2te Theil dauert nämlich auch nicht länger als ¾ Stunden, obgleich ich manches noch breiter ausgeführt habe, wie im ersten Theil. Ich quälte mich daher mehrere Tage mit Projekten es zu verlängern, um dem, dem Werk gewiß nachtheiligen Umstande vorzubeugen daß man bey künftigen Aufführungen gezwungen seyn würde, etwas dazu zu geben.
Endlich fiel mir ein, ein Instrumentalstück, eine Art Sinfonie zu schreiben, die zwischen beiden Theilen eingeschoben wird. Dieß habe ich nun gethan. Sie besteht aus einem kräftigen Allegro in C moll breitem ¾ Takt, an welches sich ein Andante grave(, das Fugato des 2ten Theils zu den Worten „So ihr mich von ganzem Herzen” aber hier, ohne die Choralmelodien, da das Fugato selbstständig für sich ist,) anschließt; hierauf folgt der 2te Theil des Allegro, erst der Mittelsatz in Cdur (früher in Es,) dann wieder eine weitere Ausarbeitung des Themas in Cmoll und ein sehr kräftiger Schluß in derselben Tonart. Dieses Musikstück, das 10 Minuten dauert, soll nun zwischen beyden Theilen gegeben und vorher und nachher eine Pause gemacht werden. Er steht freilich etwas sonderbar da, allein theils findet man in Händelschen Oratorien häufig solche Zwischen-Sinfonien(, die dort freilich keinen andern Zweck haben, als den Sängern und vielleicht auch den Zuhörern eine Erholung zu verschaffen,) theils kömmt er mir vor, als wenn in unserm Oratorio, wo die Instrumental-Musik einige Male so bedeutend und selbstständig hervortritt, eine solche Sinfonie nicht ganz am unrechten Orte wäre. Es wird indessen nöthig seyn im Textbuche diese Zwischenmusik anzuzeigen.
Jetzt, da das Werk nun ganz fertig ist, denke ich daran, es bekannt zu machen und dadurch einen pekuniären Gewinn herbey zu führen. Ich werde es daher zuerst mit unsern beyden Gesangvereinen1 und einem möglichst stark besetzten Orchester am Charfreitag zum Besten der hiesigen Armen aufführen; dann habe ich es sowohl dem großen Niederrheinischen Musikverein, wie auch dem an der Elbe für ihre diesjährigen Musikfeste zugesagt und werde nach Düsseldorf und nach Nordhausen reisen um es zu dirigiren.
Auf die Aufführung in letzterer Stadt, die Anfang September stattfinden wird, freue ich mich besonders, da man sich vorgenommen hat Sie, verehrter Freund als Gast dazu einladen und sich mit der Hoffnung schmückt daß Sie das Fest durch Ihre Gegenwart verschönern werden. Wie würde ich mich freuen von Ihnen ein Urtheil über meine Arbeit zu hören! – Diese Aufführungen werden nun freilich nichts eintragen, da die Vereine kein Honorar bezahlen können; ich ihnen auch das Werk nur zur Aufführung leihe. Ich denke aber im Herbst einen Clavierauszug herauszugeben, der vielleicht den Verkauf der Partitur an einige reichere Vereine, wie die in Wien und2 Frankfurt und Hamburg veranlassen wird. – Ihre Idee2a, das Werk an einige Fürsten zu senden, habe ich zwar angedacht; bey dem Verbot der meisten, ihnen solche Zusendungen3 zu machen, weiß ich aber die Sache nicht recht anzufangen; auch ist es mir nicht gut möglich Schritte zu thun, die vielleicht etwas demüthigendes mit sich führen würden. – Wenn das Werk sich nun erst einigen Ruf erworben hat, so wird sich auch wohl Gelegenheit finden, auch etwas damit zu gewinnen und ich dann im Stande seyn, Ihnen einen Antheil zu offeriren. Empfangen Sie vorläufig nochmals meinen herzlichen Dank mich zu dieser Arbeit veranlaßt zu haben. Mit den innigsten Gefühlen der Hochachtung und Ergebenheit
Ihr, Sie verehrender Freund
Louis Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Rochlitz, Friedrich
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Die letzten Dinge
Erwähnte Orte: Düsseldorf
Kassel
Nordhausen
Erwähnte Institutionen: Cäcilienverein <Frankfurt am Main>
Cäcilienverein <Kassel>
Gesangverein <Hamburg>
Gesellschaft der Musikfreunde <Wien>
Hofkapelle <Kassel>
Singakademie <Kassel>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1826030106

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Rochlitz an Spohr, 12.12.1825. Rochlitz‘ mutmaßlicher Antwortbrief vom 06.03.1826 ist derzeit verschollen.
 
[1] Cäcilienverein und Singakademie.
 
[2] Hier gestrichen: „die”.
 
[2a] [Ergänzung 28.08.2018: Rochlitz ließ Spohrs Ablehnung einer Widmung an Fürsten nicht auf sich beruhen. Stattdessen schrieb er in einem Brief an Ignaz von Mosel, 06.03.1826, dem gleichen Tag als er Spohrs Brief erhielt, am Ende einer Zusammenfassung von Spohrs Brief: „Seine Idee ist, wenn es den erwünschten Erfolg gefunden, es einem Großen der Erde zu widmen und zu übersenden; und er denkt da freilich zuerst an ihren Kaiser oder den Erzherzog und Cardinal Rudolph. Aber allerdings will er sich keiner Verweigerung aussetzen, und weiß auch gar nicht, wie er die Sache anzufangen habe. Ich soll rathen und helfen: aber ich weiß eben so wenig und bin in solchen Dingen eben so unbeholfen, auch in neuerer Zeit (Sie wissen es) nicht glücklich. Das bewegt mich nun, da Sie ohne Zweifel an jedem neuen, großen Musikwerke und an dem trefflichen Spohr Antheil nehmen, (von mir möchte ich in dieser Beziehung Ihnen nicht Worte machen) Sie um Mittheilung Ihrer Ansicht, und, können Sie Spohr‘s Idee billigen, um Rath, vielleicht um Beihilfe zu bitten. Ich weiß, es ist dies eine Zumuthung, und überdies eine immer etwas bedenkliche, auch für einen so sehr beschäftigten Mann beschwerliche: aber was soll ich thun? soll ich den werthen Spohr ohne Beistand oder etwas Verkehrtes thun, und damit ihm für rühmliche Anstrengung Schmerzliches erfahren lassen? Das kann ich nicht; und daß ich in Wien sonst Niemand habe an den ich mich dießfalls mit unbedingtem Vertrauen wenden könnte: das wissen Sie. Darum: Verzeihung nicht um meinet, sondern um der Sache und um Spohr‘s willen!“ (Anton Schmidt, „Briefe des verstorbenen königl. sächs. Hofrathes Friedrich Rochlitz, an den verstorbenen k.k. Hofrath Ignaz Franz Edlen von Mosel aus der Autographen-Sammlung der k.k. Hofbibliothek.“, in: Wiener Allgemeine Musik-Zeitung 7 (1847), S. 285f. und 289, hier S. 289).]
 
[3] Hier gestrichen: „nicht mehr”.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (01.08.2016).