Georg Heinrich Gerke an Louis Spohr in Kassel

Sr. Wohlgeboren
Herrn Hof-Kapellmeister
L. Spohr
in
Cassel

frey


Lüneburg d 27^sten Febr. 26.

Wohlgebohrner Herr
Hochzuverehrender Herr
Hof-Kapellmeister!

Abermals nehme ich mir die Ehre Ew. Wohlgeboren hiedurch zu dürfen meiner Bitte ein geneigtes Ohr zu leihen.
Ein Zwillings Bruder¹ von meinem Sohn² in Kassel, den ich jetzt noch bei mir habe, wünscht, so wie ich es wünsche, Ihren gütigen Unterricht genießen zu können; zuvor aber muß ich bekennen, daß die Vorsehung ihm das Musical. Talent nicht in dem Maaße zutheil werden lassen wie seinen Bruder Otto, jedoch ist sein Wille gut, nur das Otto von Natur so zu sagen zufällt, darum muß dieser es sich durch anhaltende Uebung sauer werden lassen: Daher wäre mein Wusnch, daß er wöchentlich 3 Stunden Unterricht bei Ew. Wohlgeb. so eingetheilt erhalten könnte, daß ihm nach jeder Lection Zeit genug übrig bleibe sich gehörg noch zu üben.
Daß er Componits³ dereinst öffentlich auftreten könnte, dazu ist bei ihm kein Tallent, meiner Ansicht nach, vorhanden: jedoch wäre mein Wunsch, daß er es doch wenigsten dahin zu bringen versuchte, kleine Stücke zu seinem Gebrauch regelrecht setzen zu können, dazu fände sich wohl Gelegenheit in Cassel; übrigens hat er Kenntniß mehrerer Instrumente, besonders gut ist sein Ton auf Clarinett.
Dieses wären meine Wünsche und seine Eigenschaften, die ich Ihnen treulich darzustellen versucht habe; wenn es dennoch Ew. Wohlgeb. gefällig wäre unsern Wusnch zu gewähren, so sende ich ihn hoffentlich am Ende des April Monats, die Erfahrung wird es lehren, was alsdann sein Fleiß in einem halben Jahre für Früchte bringt.
Daß Ew. Wohlgeb. als Lehrer ihm treulich [???], davon bin ich fest überzeugt, sollte er sich aber im moralischen, wie auch vielleicht in seinem Fleiße pp etwas zu schulden kommen lassen, so bitte Ew. Wohlgeboh. herzlich, ihm Ihren väterlichen Rath zu ertheilen, und wenn⁴ Sie es nöthig finden, ihm recht ernstlich zu verweis[en.]
In der Erwartung, eine unseren Wünschen [e]ntsprechende Antwort recht bald von [Ew. Wohlg]ebr. zu erhalten, habe ich die Ehre mi[t vorzüglicher] Hochachtung zu sein

Ew. Wohlgebr.
ergebener
G.H. Gerke
K und St. Musikus