Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Seiffart,K.:2

An
den Churfürstl. Hessischen Hof-Kapellmeister
Herrn Spohr Wohlgeborn
zu
Cassel.

Frei.


Vor einiger Zeit erhielt ich von Herrn Ober-Bürgermeister Franke zu Magdeburg und später durch Herrn Rathmann Körte die Nachricht, daß Euer Wohlgeboren der Musikalischen Welt einen abermaligen großen Genuß durch die ganz vortreffliche Komposition eines Rochlitzschen Textes – Die letzten Dinge – schenken würden und der Letztere versichert mir zugleich, daß Sie vielleicht so geneigt seyn würden, uns die Aufführung desselben auf dem diesjährigen Musikfeste alhier, zu erlauben.1
Ich würde es unbescheiden finden, Ihnen eine Bitte hierauf ans Herz zu legen, hätte nicht zugleich der letztere hinzugefügt, daß er im November v. J. bei seiner Anwesenheit in Cassel mit Ihnen zu conferiren bereits Veranlassung gefunden habe.
Meine Freude über diese Mittheilung ist sehr groß, so wie meine hierauf gebauten Luftschlosse feenartig und wonniglich sind.
Um jedoch die am tiefen Horizont sich stets erneuert zeigenden Zweifelswolken, nicht ins unendliche aufsteigen zu sehen, erlaube ich mir die Frage: ob Sie uns dieses himmlischen Genusses Ihrer Zaubermelodien würdig halten?
Im glücklichen bejahenden Fall:
Würde es Ihnen möglich seyn, diesem Feste – keine Schmeichelei, sondern strenge Wahrheit – durch persönliche vortreffliche Direction den höchsten Glanz zu geben und unter welchen Bedingungen?
Das Musikfest würde im Nachsommer oder die ersten Tage des Herbst's fallen, da der hier angestellte Musikdirector Sörgel erst gegen Ostern von Leipzig alhier eintreffen wird.
Welche Solo-Sängerinnen würden Sie uns empfehlen?
Einen guten Tenoristen haben wir zu Mühlhausen an Herrn Heinrichshofen. Einen guten Bassisten verspricht mir mein Sohn aus Berlin mitzubringen.
Welche Concertstücke würden wohl für den 2ten Tag zu wählen seyn? Wenn ich nicht irre, hat Beethoven eine Fantasie für ein großes Orchester mit Chören geschrieben, die bei einer solchen Festlichkeit vielleicht sehr gewählt seyn würde, wenn nicht wie oft bei diesem Meister, das Ganze zu düster gehalten ist.
Höchst erfreulich würde es mir seyn, wenn Sie meine Bitte gütigst statt finden lassen und den Plan des Ganzen entwerfen wollten, in welchem Fall die Vortrefflichkeit desselben allgemein anerkannt und jeder Tadel schwinden wird. Bevorworten muß ich indes, daß Sie die allgemeine Freude aufs höchste durch gütigen Vortrag eines Violin-Concerts von Ihrer einzigen unerreichbaren Composition steigern würden.
Alle übrigen diesen Gegenstand betreffenden Fragen übergehe ich bis zum Empfang Ihrer geehrten Antwort und glaube nur noch berühren zu müssen, daß Herr Kapellmeister Schneider mit den eingangs Genannten und mir sich bereits schon sehr über die Möglichkeit gefreut hat, daß Sie unsere Bitte statt finden lassen und die Direction gütigst übernehmen würden.
Empfangen Sie mit den ehemaligen gütigen Gesinnungen für mich die Erneuerung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung mit welcher ich die Ehre habe zu seyn:
Euer Wohlgeborn

ergebenster Diener
Seiffart.

Nordhausen
am 13ten Februar
1826.



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Seiffart an Spohr, 17.05.1824. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Seiffart an Spohr, 01.01.1827, aus dem sich ergibt, dass Seiffart zu den Empfänger von Spohrs Subskriptionsaufruf für den Klavierauszug seines Oratoriums Die letzten Dinge gehörte, dessen an Seiffart gerichtetes Exemplar derzeit verschollen ist.

[1] Spohr teilte bereits am 10.02.1826 seinem Freund Wilhelm Speyer mit: „Mein Oratorium ist nun fertig und ich stehe wegen dessen Aufführung sowohl mit dem Rheinischen Musikverein als auch mit dem an der Elbe in Unterhandlung.”

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (16.05.2019).