Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 2° Ms. mus. 1500[Sp. 75,10
[Beleg 1: A Collection of Choice Manuscripts, Incunables, Books of Hours, Maps Music Autographs, Woodcut Books. In commemoration of the 50th anniversary of Ludwig Rosenthal‘s Antiquarian Book store (= Katalog Rosenthal 130), München 1909, S. 42]
Beleg 2: Handschriften & Miniaturen aus Europa, Asien und Afrika VIII.-XIX. Jahrhundert (= Katalog Rosenthal 155), München o.J., S. 68
Beleg 3: Josef Viktor Widmann und kostbare Musik-Autographen und -Manuscripte, z.T. aus den Nachlässen von Felix Mottl und A.W. Gottschalg (= Katalog Liepmannssohn 41), Berlin 1913, S. 124
[Beleg 4: Bücher, Manuskripte, Autographen […] (= Katalog Karl & Faber 31), München 1949, S. 58]

Cassel den 8ten Dec.
25.
 
Wohlgeborner
Hochgeehrter Herr Hofrath,
 
Nicht genug kann ich für die freundlichen, ermunternden Worte danken, die Ihre letzte geehrte Zuschrift enthalten. Um so mehr beängstigt es mich, Sie nochmals mit Anfragen und Erinnerungen wegen des Textes plagen zu müssen. So gut die Folge der Worte in der neuen Anordnung nun auch ist, so scheint mir doch die1 der Musikstücke nicht ganz vortheilhaft für den Efekt. Es fehlen die Contraste in Stärke und Schwäche und in langsamer und schneller Bewegung. Das sanfte, flehende Duett: Sey mir nicht pp. folgt gleich auf einen ebenfalls langsamen Satz, der auch in der Stärke der Instrumentirung nicht sehr verschieden seyn kann; und der Chor „So ihr mich von ganzem Herzen pp., den ich Ihrer Andeutung gemäß bearbeitet habe und nun seines ersten kräftigen Charakters wegen, nicht anders als sehr stark instrumentiren kann2 (selbst nicht ohne3 Posaunen, die mit den Singstimmen im Einklange gehen müssen, da ich das übrige Orchester zu dem,4 über einen Cantus firmus der Singstimmen, gebauten Fugato gebrauche) schließt sich unmittelbar an den kräftig[st]en Chor des ganzen Oratoriums an „gefallen, gefallen pp. und würde daher diesem auf jeden Fall großen Eintrag thun. Dazu kömmt, daß ich das Duett, wie Sie es mir freystellten, für Sopran und Tenor geschrieben habe, (hauptsächlich weil die verschiedene Stimmlage mehr Mannigfaltigkeit in den Umkehrungen zuläßt und ich auch nicht gern noch eine 5te Solostimme haben mögte) und nun ein Tenor-Solo voraus, diesem ebenfalls in der Wirkung schaden würde. Ich bin daher so frey, Sie um Ihre gütige Zustimmung zu bitten, daß ich den Text auf folgende Weise aneinander reihen darf: Zum Anfang des 2ten Theils die Einschaltung Nro 1, wo mir die ersten 6 Zeilen, so lange der Herr redend eingeführt ist, zu einem Tempo im ernsten würdigen Style, ganz geeignet, einen neuen Theil zu beginnen, Gelegenheit geben. Der folgende „Von draußen bricht’s daher” wird dem Rezitativ mit lebendigen, ausmalenden Zwischensätzen, auch die das sanfte innige Duett, so wie Sopran und Tenor auf Baß nun sehr gut passen wird. Der folgende Chor „So ihr mich pp., auf die eben bezeichnete Weise behandelt, steht im guten Contrast mit dem Vorhergehenden und beschließt diese erste Scene. Nun sollte, nach meiner Idee, ein Zwischenspiel folgen, was im Charakter ganz verschieden von dem Vorhergehenden wäre und der Tenor gleich mit den ersten Worten des ersten Manuscripts beginnen: „Die Stunde des Gerichts – sie ist gekommen. Betet an den, der gemacht hat Himmel und Erde und Meer! Ein feyerliches Zwischenspiel der Instrumente, wie ein Gebet, und dann mit aller nur aufzubiethenden Kraft der Chor: gefallen, gefallen pp. und so alles folgende des ersten Manscrpts.
Das nun bald5 folgende Rezitativ: „Sieh einen neuen Himmel” mögte ich aber gern dem Sopran oder dem Alt, (der bereits auch im ersten Theil das Rezitativ: „Diese sind gekommen aus großer Trübsal” erhalten hat,) geben, damit der Baß nicht unverhältnismäßig viel Rezitative vor den andern Stimmen habe und frage ergebenst an, ob Sie das gutheißen, so wie ich denn mit wahrer Ungeduld Ihrer gütigen Antwort entgegen sehe, ob Sie meine Vorschläge genehmigen?
Indem ich schlüßlich nochmals um Vergebung bitte, Sie so oft belästigt zu haben unterzeichne ich mit innigster Hochachtung und Verehrung
 
Ew. Wohlgeb.
ergebenster Diener
Louis Spohr

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Rochlitz, Friedrich
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Die letzten Dinge
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1825120806

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Rochlitz an Spohr, 05.12.1825. Rochlitz beantwortete diesen Brief am 12.12.1825.
 
[1] Hier ein unleserlich gestrichenes Wort.
 
[2] „kann” über der Zeile eingefügt.
 
[3] „ohne” über der Zeile eingefügt.
 
[4] Hier gestrichen: „darunter”.
 
[5] „nun bald” über der Zeile eingefügt.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (01.08.2016).