Autograf: Universitätsbibliothek Kassel – Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sr. Wohlgeboren,
Herrn Louis Spohr
kurfürstl. hessischen Hofkapellmeister
zu
Cassel

frei.1


Hamburg d. 21t Sept. 1825

Verehrtester Herr!

Ich bin so frey, unserer Verabredung gemäß, Ihnen zu melden, daß meine Frau ihre Gastrollen hier bis gegen die Hälfte Octobers beenden dürfte. Sollte es ausführbar seyn, daß sie dann, oder vielleicht auch etwas später einige Mahl in Cassel auftreten könnte, so wäre es um so angenehmer für uns, da wir aus mehreren Gründen die nemliche Reise wieder zurück zu machen wünschten. Jedoch dürfte dies nicht mit Aufopferung größerer Vortheile geschehen. Es sind nämlich schon nach den ersten 2 Rollen meiner Frau (sie ist gestern zum 5t Mahl aufgetreten)2 so vortheilhafte Anträge aus der Unmgegend für Gastrollen und Concert (mit garantirtem, namhaften Ertrag) eingegangen, daß sie, ohne Verlust, in Cassel nicht unter 15 Fried. d’or in Gold, auftreten kann. Wenn daselbst in der Regel dieses Honorar nicht bezahlt wird, so fanden doch schon Ausnamen Statt, wie dieß bei Mad. Schröder der Fall war, welche noch mehr, und zwahr 100 Thl. erhielt und darum die Cassa gewiß nicht mehr Vortheil brachte, als es bey einer bekannten Sängerin der Fall sein dürfte, indem Opern überall ein zahlreicheres Publikum für sich haben, als Schauspiele.
Für den F-all eines Übereinkommens ließe sioch aus fogenden Opern eine kleine Wahl treffen.
Don Juan – Anna. Ländliche Sängerinnen3 – Rosa. Joh. v. Paris – Prinzessin. Othello – Desdemona. Figaro – Gräfin Tancred – Amenaide. Vestalin. – Barbier von Sevilla – Rosina u.s.w.
Um ein paar Zeilen gefällige Erwiederung bittend bin ich mit Versicherung meiner innigsten Hochachtung und Verehrung
Ihr

ergebenster
Joh. Chrst. Grünbaum
(Hôtel de Saxe)

Meine Frau empfiehlt sich Ihnen und Ihrer lieben Frau Gemahlin bestens.



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Grünbaum an Spohr, 15.03.1823.

[1] Auf dem Adressfeld befindet sich rechts oben der verblasste Poststempel. „HAMBURG / [???] / 21. SEPT; auf der Rückseite des zusammengefalteten Briefumschlag befindet sich in weiterer, stark verwischter Stempel.

[2] In der Zahl der Auftritte hat sich Grünbaum offensichtlich verzählt: Rosina in Il barbiere de Sevilla von Gioachino Rossini, 09.09. (vgl. Staats und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten, nicht paginiert), Donna Anna in Don Giovanni von Wolfgang Amadeus Mozart 13.09. (vgl. ebd., nicht paginiert) und 14.09. (vgl. ebd., nicht paginiert), Prinzessin in Jean de Paris von François-Adrien Boïeldieu 16.09. (vgl. ebd., nicht paginiert) und 17.09. (vgl. ebd., nicht paginiert), Desdemona in Otello von Rossini (vgl. ebd., nicht paginiert). Der Bezug auf die „zwei Rollen“ bedeutet vermutlich, dass seine Frau die „vortheilhaften Anträge“ zwischen 14. und 16.09. erhielt.

[3] Le cantatrici villane von Valentino Fioravanti.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (15.06.2023).