Autograf: Universitätsbibliothek Kassel – Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Mein hochgeachteter Herr Kapellmeister

Ich habe vom 6ten August ab, einen dreimonatlichen Urlaub, welchen ich zu einer Kunstreise nach Paris benutzen wollte. Ich rechnete hiebei auf die Begleitung meines Mannes, welcher jedoch nun durch seine Geschäfts Verhältnisse behindert wird. Ich will meinen Reiseplan ändern, und statt, dass ich nun auf das Vergnügen rechnen durfte, Ihnen bei der Durchreise nach Paris meine Ergebenheit u Hochachtung zu versichern, kann ich Ihnen jetzt zugleich mein Dienste für längere Zeit anbieten. Es würde mir großes Vergnügen machen, auf der dortigen Hofbühne eine Reihe von Gastvorstellungen zu geben. Ich könnte meinem dortigen Aufenthalt eine Zeit von zwei Monaten widmen u in diesem Zeitraum etwa 20 Vorstellungen leisten. Ihrem Urtheile gebe ich ergebenst anheim, ob Sie ein Honoar von 20 Friedrd’or für jede Rolle angemessen halten. Ein Rollen-Verzeichniß füge ich ganz ergebenst bei; u erkläre mich gern bereit, außer den verzeichneten Rollen nach den Bedürfnißen des dortigen Repertoires u nach Ihren Wünschen auch noch andere Rollen einzustudiren.
Ein besonderes Vergnügen würde es mir machen, wenn Sie mir gefällig gestatten wollen, außer Jessonda auch in einigen anderen der von Ihnen komponierten Opern zu debütiren. Jessonda ist bis jetzt hie fünfmal gegeben worden u das Publikum hat das jedesmal mit gesteigerter Teilnahme aufgenommen.1
Ich kenne die nähren Verhältniße des dortigen Hoftheaters nicht u wende mich mit diesem meinem Gesuche an Sie, mein hochgeehrtester Herr Kapellmeister, im Vertrauen, daß, wenn die Gewährung vielleicht von einer Intendanz abhängen sollte, Sie von diesem Schreiben gefälligst den nötigen Gebrauch machen wollen.
Sehr wünschenswerth würde mir eine möglichst beschleunigte Antwort sein. Ich möchte gern am 6ten August von hie abreisen. Für den 8ten ist ein Konzert in Magdeburg beabsichtiget, u ich könnte alsdann bald bei Ihnen eintreffen.
Herzliche Grüße an Ihre liebe Frau Gemahlin. Mein Mann empfiehlt sich derselben u Ihnen mit gleicher Herzlichkeit. Genehmigen Sie den Ausdruck meiner vollkommensten Verehrung, in welcher ich mich unterzeichne, als

Ihre
ganz ergebenste
Josephine Schulze.

Berlin am 31 July 1825.

Autor(en): Schulze, Josephine
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Schulze, Ludwig
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Jessonda
Erwähnte Orte: Berlin
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Kassel>
Königliche Schauspiele <Berlin>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1825073145

Spohr



Spohrs Antwortbrief ist derzeit verschollen.

[1] Zur Aufführung der Jessonda in Berlin vgl. „Berlin. Uebersicht des Februar“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 27 (1825), Sp. 185-188, hier Sp. 185f.; M., „Berlin“, in: Berliner allgemeine musikalische Zeitung 2 (1825), S. 252; D..n, „Berlin. Freitag, am 14ten Oct.“, in: ebd., S. 348; „Korrespondenz und Notizen“, in: Zeitung für die elegante Welt (1825), Sp. 990ff., hier Sp. 991.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Rahel Tafere (17.05.2024).