Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Herrn
Herrn Kapellmeister Spohr
in
Cassel.

frei1


Frankfurt am Main den 16ten Juli
1825.

Lieber Freund!

Ihre glückliche Ankunft in Cassel habe ich durch Speyer2 vernommen. Die rückständigen Geschäfte haben Sie nun gewiß schon so beseitigt, daß ich ohne Zudringlichkeit bitten darf, mir das Schreiben3 an den Grafen von Brühl, welches Sie die Güte hatten mir zu versprechen, und von welchem ich gewiß günstige Wirkung für mich hoffen kann, zu überschicken, indem ich dann sogleich an den Grafen schreiben werde.
Spontini hat sich auf seiner Durchreise nach Paris kaum etwas über eine Stunde hier aufgehalten, und reisete dann sogleich nach Darmstadt zu seinem großherzoglichen Verehrer. Man meint, er habe Frankfurt nicht einmal mit seinen Excrementen beglückt, in welchem Fall man sie hervorgesucht (ihre Größe, denn an einem so großen Mann ist alles groß, hätte sie leicht verrathen) und in Spiritus, aus seinem Resten extrahirt, aufgehoben und im Heiligthum des Theaters zur Nachahmung für junge, hoffnungsvolle Künstler aufgestellt hätte. Guhr hätte selber, als erster Hofpriester, alle Jahre nach feyerlicher Aufführung des Cortez oder eines andern Meisterwerks des Unsterblichen, wie das heilige Januari Blut in Neapel4, flüßig machen, und Ihlee in einer zweckmäßigen Rede die gerührten Anwesenden mit dem hohen Werthe der Reliquien bekannt machen sollen. Leider kann man von dem allen nichts geschehen und wir müßten es mit dem beglückteren Darmstädtern überlassen.
Bekomme ich von dem Grafen von Brühl eine erfreuliche Antwort, und reise in deren Folge nach Berlin, so nehme ich meinen Weg nach Ihrem Rath durch Cassel und habe also das Vergnügen Sie in der Mitte Ihrer Familie zu sehen.
Bis dahin leben Sie wohl und danken Sie in alter Freundschaft an Ihren

Freund
Xav. Schnyder von Wartensee.

Autor(en): Schnyder von Wartensee, Franz Xaver
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Brühl, Karl Moritz von
Guhr, Carl
Ihlée, Johann Jakob
Ludwig I Hessen-Darmstadt, Großherzog
Spontini, Gaspare
Erwähnte Kompositionen: Spontini, Gaspare : Fernand Cortez
Erwähnte Orte: Berlin
Darmstadt
Frankfurt am Main
Kassel
Erwähnte Institutionen: Stadttheater <Frankfurt am Main>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1825071643

Spohr



Spohr beantwortete diesen Brief am 23.07.1825.

[1] Auf dem Adressfeld sowie auf der Rückseite des zusammengefalteten Briefumschlags befinden sich stark verwischte Poststempel.

[2] Vgl. Spohr an Wilhelm Speyer, 03.07.1825.

[3] Spohr an Karl Moritz von Brühl, 23.07.1825.

[4] Zum Blutwunder von Neapel vgl. z.B. Christian Gottfried Daniel Stein, Geographisch-statistisches Zeitungs-, Post- und Comtoir-Lexicon, Bd. 3.1, Leipzig 1820, S. 315.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (12.07.2022).