Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,77

Sr. Wohlgeb
Herrn Wilhelm Speyer
in
Offenbach a/m


Cassel den 6ten
April 25.

Geliebter Freund,

Endlich ist es entschieden, daß Cornet nicht engagirt werden wird und ich bin nun beauftragt Wild ernstliche Anträge zu einem Engagement zu machen. Dieß ist in dem beyliegenden Briefe geschehen und ich bitte Sie daher Sorge zu tragen, daß er so bald wie möglich in seine Hände komme.
Am 1sten Aprill Nachmittags 3 Uhr war die Aufführung des Messias von einem 1600 Personen Auditorio. Die Chöre gingen vorzüglich gut; weniger gut wurden die Arien gesungen, wozu aber auch ganze Sänger gehören. Genügend gaben ihre Soli Hauser und Emilie. Auch Ida hat durch ihre kräftige Altstimme, die auch jetzt anfängt sonor zu werden, Aufmerksamkeit erregt. Die Schwenke’sche Instrumentirung ist ganz meisterhaft! – Abends ließ mich der Kurfürst holen, sagte mir erst mal schmeichelhaftes über die Fackeltänze1, den Großvater2 und die Oper3 und schenkte mir dann eine sehr schöne Dose mit 40 Friedrichs d’or Inhalt.4
Ein 3tes Quintett in H moll ist in Arbeit. Bringe ich es fertig bis zum Beginn unserer Ferien, so soll es mich nach Offenbach begleiten und bey Ihnen zum ersten Mal gegeben werden.
Heute wurde mir gesagt: es stehe in der Berliner musikalischen Zeitung eine ausführliche Rezension über Jessonda5, in der besonders der Berichterstatter aus Dresden6 zurecht gewiesen wurde; ich bin neugierig sie zu sehn!
Herzliche Grüße von uns allen an die lieben Ihrigen. Stets Ihr treuer Freund L. Spohr.



Dieser Brief schließt an Spohr an Speyer, 31.03.1825 an. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Speyer, 07.05.1825.

[1] Spohr hatte für die Vermählung von Maria von Hessen mit Bernhard von Sachsen-Meinigen einen Fackeltanz für 54 Trompeten komponiert (vgl. „Aus Cassel, den 28. März”, in: Zeitung für die elegante Welt 25 (1825), S. 614ff., hier S. 615). 

[2] Für die Vermählungsfeierlichkeiten schrieb Spohr im Auftrag des Kurfürsten einen Festmarsch, in dem er im Trio das Volkslied „Und als der Großvater die Großmutter nahm” verarbeitete (vgl. Louis Spohr, Lebenserinnerungen, hrsg. v. Folker Göthel, Tutzing 1968, Bd. 2, S. 137, Text mit fehlerhafter Paginierung auch online; ders., Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 166). 

[3] Der Berggeist.

[4] Vgl. „Kleine Notizen”, in: Flora (1825.1), S. 254; Spohr, Lebenserinnerungen, Bd. 2, S. 140, Text mit fehlerhafter Paginierung auch online; Selbstbiographie, Bd. 2, S. 169

[5] „Auszug eines Briefs aus Dresden (Eingesandt)”, in: Berliner allgemeine musikalische Zeitung 2 (1825), S. 83ff. 

[6] „Dresden, Ende Dezember 1824”, in: ebd., S. 39 und 47f., hier S. 47. Vermutlich der gleiche Rezensent antwortete auf die Verteidigung gegen seine Kritik in: „Dresden, im April 1825”, in: ebd., S. 139ff., hier S. 140

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (22.02.2016).