Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Sr. Wohlgeb.
Herrn Capell-Meister
Louis Spohr
in
Cassel
franco1
Hamburg d. 1t April 1825.
Mein lieber Herr Spohr,
Meinen herzlichsten Dank für das Quartett von Jessonda, ich behalte sehr gerne diese Stimmen u bitte Sie mir die Kosten von Copialie u Einpacken zu berechnen. Die Copisten sind hier auch erst so schlecht, daß man jede Stimme um sie zu gebrauchen Note für Note nachsehen muß. Meine Oper hat mir können Sie denken sehr viele Zeit weggenommen. Die Aufführung einer neuen Oper unsers Director Eule dem die2 Direktion es schuldig war sie früher als die meinige zu geben hat sich bis vor 14 Tagen hingezogen u ich bin nun mit Hupfeldt einig geworden die meinige erst gegen Herbst (anfangs September) aufzuführen da die Sommerzeit ihr wohl eben nicht günstig seyn wird. Der Eule hat sein Sujet aus Tausend u einer Nacht bearbeiten lassen; Sie können3 aber von der Schlechtigkeit der Verse zum Gesang sich keinen Begrif machen – es heißt da immer: reim dich oder freß dich: Im Finale wird folgendes gesungen: Ameraide läßt sich entschuldigen – Kopfschmerz an dem sie stark gelitten hält sie zu Bette; und so geht es fort immer fort. In einer großen Arie nimmt sich folgendes originell aus: Ich wünschte, ach verzeih’ mir die Sünde des Kindes Tod. Sie können denken daß die Musik, die mir übrigens für den großen Haufen sehr passend organisirt zu seyn scheint, bei solchen Texte keine große Wirkung machte.4 Die erste Vorstellung war noch ziemlich animirt, die zweite u dritte sollen aber sehr flau gewesen seyn, u wenn die Oper5 am ersten Osterfeiertag keinen Beifall haben sollte wird sie wohl weggelegt werden. Wie gerne hätte ich Ihren Berggeist gehört von dem Eduard so entzückt mir schreibt, merkwürdig ist es übrigens daß so viele Dichter zur gleichen Zeit auf dieses Bergwesen gekommen sind. In Hamburg wird dies zwar meiner Oper keinen Abbruch thun, unsere Direktion kauft aber keine Opern an; da ich aber nun so spät mit der meinigen herauskomme, fürchte ich daß ich sie eben wegen dieses Bergmanns Wesen nicht auswärts werde verkaufen können. Halten Sie nicht aber auch dafür, daß ich sie erst hier in Hamburg auf die Bühne bringe? Auswärts wär’ auch wohl für mich, der ich ganz unbekannt bin, nichts damit anzukommen? Eduard’s Quartett hat mir viele Freude gemacht, er hat Sie aber auch ehrlich bestohlen, was ich ihm aber als Ihrem Jünger nicht verdenke. Ich studire diese Zeit Ihre Oper der Zweikampf in Partitur u kann Ihnen gar nicht sagen wie außerordentliche Freude sie mir macht – ließe sich der Text nicht etwa umändern; die Musik muß doch, gut executirt, Furore machen.
Meine Mutter die Gott sey dank noch immer jugendlichen Sinns6 ist läßt sich Ihnen wie auch Ihrer Lieben Frau u Fräulein Töchtern bestens empfehlen; dasselbe gilt auch von Ihrem treuen Freunde
W. Grund
Autor(en): | Grund, Wilhelm |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | |
Erwähnte Kompositionen: | Eule, Carl Dietrich : Giaffar und Zaide Grund, Wilhelm : Die Burg Falkenstein |
Erwähnte Orte: | Hamburg |
Erwähnte Institutionen: | Stadttheater <Hamburg> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1825040139 |
Der letzte erhaltene Brief in der Korrespondenz mit Eduard Grund ist Eduard Grund an Spohr, 20.06.1823.
[1] Auf dem Adressfeld befindet sich rechts oben der Poststempel „HAMBURG / TH: P.A. / 1. Apr.“, auf der Rückseite des zusammengefalteten Briefumschlags befindet sich der Stempel „4 [APR182]4“.
[2] „die“ über der Zeile eingefügt.
[3] „können“ über gestrichenem „haben“ eingefügt.
[4] Vgl. „Von den auf dem hiesigen Theater aufgeführten wenigen Opern schweige ich aus leicht erklärlichen Ursachen“ („Hamburg“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 27 (1825), Sp. 527-531, hier Sp. 531).
[5] „die Oper“ über gestrichenem „sic“ eingefügt.
[6] „Sinns“ über der Zeile eingefügt.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (01.07.2022).