Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,229
Druck: Edward Speyer, Wilhelm Speyer der Liederkomponist 1790-1878. Sein Leben und Verkehr mit seinen Zeitgenossen dargestellt von seinem jüngsten Sohne, München 1925, S. 86 (teilweise)

Offenbach am 27 März 1825.

Theuerster Freund!

Es ist mir das dringendste Bedürfnis, vor allen anderen Dingen, Ihnen und den lieben Ihrigen unsere Rückkunft zu melden und in armen Worten die Empfindungen des Danks, der Liebe und Verehrung niederzulegen, welche meine ganze Seele erfüllen. Empfangen Sie denn die Versicherung, daß ich, solange ich athme, die in Kassel bei Ihnen verlebten 8 Tage unter die glücklichsten zähle, ja sogar (unbeschadet den [Textverlust]ten meiner Frau) die glücklichsten meines Lebens nennen muß: De[nn] was bi[etet] das Leben Reicheres und Anmutigeres, als an Bruders Hand seine Blüthen zu genießen? – Vor allen Dingen erwarte ich von Ihnen den Bericht über die 2te Aufführung der Oper, mit allen möglichen Umständen, denn erst alsdann kann ich meine Notizen darüber vervollständigen; noch bin ich des Briefes an Wild gewärtig, der sogleich besorgt wird.
Meine Reise war sehr angenehm. – Beim Dampf der Cigarren, beim Schlürfen des St Juliens1 und beim angenehmen Zungenspiel mit der herrlichen Zunge dachten wir an die Ihrigen und vor allem an die liebe Haußfrau, die mit zartem Sinn die schönen Gaben bereitet. – Die wunderlichsten Träume verkürzten die Nacht. Mir träumte, wir alle speisten auf dem Königsplatz, in dessen Mitte eine hohe Säule sich befand. Obenauf statt der Laterne, saß der kleine Zaches.2 Nachdem aber die Trompeter einen Tusch und Fanfare bließen, purzelte dieser herunter und an seiner Stelle wurde ein Transparent mit den Buchstaben S.P.O.R.3 sichtbar. Hierauf sah ich den kleinen Zaches an der Spitze eines [Husa]renregiments usw. – Beim Untergang der Sonne traf ich hier ein und fand die Meinigen im besten Wohlsein. Des Freuens war nun kein Ende. – Uebrigens entbehrte ich das comfortable Gefühl des häußlichen Wohlbehagens, welches gewöhnlich bei der Rückkehr von einer Reiße statt findet. Allein wie wäre dieses auch möglich, da ich in Ihrem Hauße nichts vermißte, was den heimischen Heerd so [Textverlust]tzend macht. –
Grüßen Sie die Ihrigen auf das Herzlichste, auch Dr. Bauer, Grund, Hauptmann u. alle die sich meiner erinnern. –
Die Nachricht daß wir Sie in 10 Wochen bei uns sehen, hat in meinem Hause unbeschreibliche Freude erregt.

Leben Sie wohl theurer Freund
Ihr WmSpeyer.

Ich hätte noch manches zu schreiben, allein meine Frau meint, ich sollte mit ihr spazieren gehen. Ich sagte einigemale [Nbs] allein sie sagte noch öfter [Nbs] u. so mußte ich nachgeben.

Autor(en): Speyer, Wilhelm
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Bauer, Johann Heinrich Balthasar
Grund, Eduard
Hauptmann, Moritz
Speyer, Charlotte
Wild, Franz
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Der Berggeist
Erwähnte Orte: Kassel
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Kassel>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1825032732

https://bit.ly/

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Speyer, 08.03.1825. Spohr beantwortete diesen Brief am 31.03.1825.

[1] Vermutlich Wein aus St. Julien in Lothringen (vgl. Johann Karl Lübeck, K.A. Hellenthals Hülfsbuch für Weinbesitzer und Weinhändler oder der vollkommene Weinnkellermeister [...], Pest 1829, S. 195). 

[2] Vgl. E.T.A. Hoffmann, Klein Zaches genannt Zinnober. Ein Mährchen, Berlin 1819. 

[3] Anspielung auf die Inschrift der Banner des römischen Heers „S.P.Q.R.” = Senatus populus que romanus (Senat und Volk von Rom).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (22.02.2016).

Offenbach, 27. März 1825.

Es ist mir das dringendste Bedürfnis, vor allen anderen Dingen Ihnen und den lieben Ihrigen unsere Rückkunft zu melden und in armen Worten die Empfindungen des Danks, der Liebe und Verehrung auszusprechen, welche meine ganze Seele erfüllen. Empfangen Sie denn die Versicherung, daß ich, solange ich lebe, die in Cassel bei Ihnen verbrachten acht Tage unter die glücklichsten meines Lebens zähle: denn was bietet das Leben Reicheres und Anmutigeres, als an Freundes Hand seine Blüten zu genießen? ... Unsere Reise war sehr angenehm ... Die wunderlichsten Träume verkürzten die Nacht. Mir träumte, wir alle speisten auf dem Königsplatz, in dessen Mitte eine hohe Säule sich erhob. Obenauf, statt der Laterne, saß der kleine Zaches. Nachdem aber die Trompeter einen Tusch und Fanfare geblasen hatten, purzelte dieser herunter und an seiner Stelle wurde ein Transparent mit den Buchstaben S.P.O.R. sichtbar. Hierauf sah ich den kleinen Zaches an der Spitze eines Husarenregiments usw. ...