Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Ochernal:2

Bremen, den 11ten Decbr. 1824.

Wohlgebohrner!
Hochverehrter Herr Capellmeister!

Ihre Nachfrage, den hiesigen Bassisten Föppel betreffend, kann ich Ihnen in so weit beantworten, daß dieser Herr eine recht schöne klangvolle sonore und biegsame Baßstimme hat, die aber mehr in Bariton-Parthien als in tüchtigen tiefen Baß-Parthien sich eignet.
Er ist aufgetreten als Tancred, worin(?) er gleich Respect einflößt: ferner als Caspar1 als Don Juan, als Figaro im Barbier, als Herzog in der Camilla vorzüglich gut, als Abbée in Fanchon, als Wasserträger2, in Apollo's Wettgesang u. im Waisenhauße. Durch alle dieße Productionen hat er sich durch guten Gesang, angenehmes Spiel und vortheilhaftes Äußeres bey dem hiesigen Publico sehr beliebt gemacht, und es ist von ihm häufig die Rede.3 Ihren Auftrag habe ich ihm noch nicht mitgetheilt, sondern mich unter der Hand erkundigt, nach den anderweitigen Verhältnissen, diese sind folgende:
Herr von Zahlhas hat wegen seines arroganten und gemein groben Betragens gegen Jedermann das Feld räumen müssen u. ist abgezogen, nun hat H. Mejo die Direction allein übernommen u. hat wegen seiner Beliebtheit ein äußerst brillantes Abonnement zu Stande gebracht auf 4 Monate: jezt heißt es, daß auch ein Sommer-Abonnement soll besorgt werden, wenn dieses zu Stande kommt, so bleiben alle die besten Mitglieder, worunter auch Föppel gehört, u. dießes soll in Zeit von 14 Tagen im Reinen seyn. (Föppel soll auch Anerbietungen von Frankfurt haben.) Ich will Ihnen gleich von dem künftigen Erfolg der Theaterangelegenheiten Bericht ertheilen.
Mein Sohn ist Ihnen noch immer mit treuer Liebe zugethan, und beträgt sich auch ganz Ihrer würdig.
Es ist freilich unverzeihlich von ihm, daß er Ihnen noch nicht schriftlich gedankt hat, für Ihre mit ihm gehabten Bemühungen, doch er hält es noch für seine Kräfte zu schwierig., und läßt Ihnen durch mich sagen, daß das Andenken an Sie, nie in seiner Seele erlöschen wird. Auch hat er bei seiner Abreise von Cassel nicht den Muth gehabt, Ihnen ein Stammbuchblatt zu überreichen, welches Sie ihm wohl gewiß nicht würden abgeschlagen haben.
Herr Albers, einer seiner vorzüglichsten Gönner, hat ihm einen Bogen versprochen, und ich habe deswegen schon seit einem halben Jahr an Herrn Schramm in Gotha geschrieben, worauf ich dann vor 8 Wochen eine Antwort erhielt, daß er in 14 Tagen einen Bogen senden wollte, es ist aber bis dato noch nichts erfolgt, und die Geduld ist beinahe? Zu Ende. Schreiben Sie wohl gelegentlich und beyläufig an Herrn Schramm?4 Oder können Sie einen MeisterBogen(?) besorgen, der Preis dafür soll augenblicklich einfolgen, wie hoch er auch sein mag. Die Geige ist in gutem Stande, und August hat neulich in einer von uns öffentlich verrichtetetn Quartett-Parthie durch den Vortrag Ihres unvergleichlichen H moll Quartetts die Zuhörer entzückt.
Es wäre einzig, wenn er auch den Bogen gleich der Geige durch Ihre gütige Vermittlung erhielte.
Doch nicht mehr! Sie finden es indiscret von mir?
Uns Ihrer gütigen Nachsicht empfehlend,
mit ausgezeichneter Hochachtung

Ihr
ergebener Diener
C.F. Ochernal.



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Ochernal.

[1] Carl Maria von Weber, Der Freischütz.

[2] Luigi Cherubini, Les deux journées (Der Wasserträger).

[3] Vgl. „Bremen“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 27 (1825), Sp. 211-215, hier Sp. 212.

[4] Möglicher Brief nicht ermittelt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (08.04.2019).