Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Muehlenbruch,H.:4

Sr Wohlgeb.
dem Herrn Kapellmeister Louis Spohr
in
Cassel.

frei.


Gerdeshagen, d. 8 Sept. 1824.

Werthgeschätzter Herr Kapellmeister!

Ich darf doch nicht unterlaßen Ihnen anzuzeigen daß mir vor einiger Zeit ganz unerwartet die bis jetzt noch von Ries bekleidete Vorgeigerstelle am Königstädtischen Theater in Berlin angetragen wurde und daß ich sie auch angenommen. Da Ries schon Michaelis abgeht um ein anderes, mir noch unbekanntes Engagement anzutreten1, so muß ich schon zum 20sten d. M. in Berlin seyn und werde mir dann bald darauf die Erlaubniß nehmen Ihnen einige Zeilen zu schreiben. Wahrscheinlich habe ich mein Engagement der Empfehlung des H. Mendelssohn und seines ausgezeichneten Sohnes Felix, aus Berlin, zu danken; ich lernte sie vor einiger Zeit in Dobberan kennen2, wo sie das Seebad gebrauchten und von wo aus sie uns, die wir nur 1½ Meilen von da wohnen3, zwei mal besucht haben.
Seitdem ich Ihnen zuletzt schrieb, habe ich noch aus Nordhausen einen Brief bekommen, worin der Bürgermeister Seiffart mir auf eine sehr freundschaftliche Weise Vorschläge zur Annahme der dortigen Musikdirector-Stelle machte4, die aber doch nicht mit meinem Plan übereinstimmten; jetzt gereut es mich gar nicht die Stelle abgelehnt zu haben, weil man in einer kleinen Stadt, wo es fast an aller Rivalität mangelt, leicht versauert.
Meine Operette habe ich beendigt und muß gestehen daß ich seitdem besser Partituren verstehe und namentlich die der Ouvertüre aus Ihrem herrlichen Faust noch ungleich höher schätze als früher. Ich habe jetzt ein Violin-Concert angefangen, womit ich, wenn es meinen Wünschen entspricht, in Berlin zu debutiren gedenke.
Recht herzlich würde ich mich freuen etwas von Ihnen und Ihrer verehrten Familie zu hören; ich hege ach die feste Hoffnung, wenn ich Ihnen erst meine Adresse in Berlin werde anzeigt haben, einige Zeilen von Ihnen zu bekommen.
Empfehlen Sie mich gütigst Ihrer werthen Famile.
Mit steter Hochachtung bin ich

Ihr Ergebener
H. Mühlenbruch



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Mühlenbruch an Spohr, 18.08.1822. Der nächste erschlossene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Mühlenbruch, 14.05.1835.

[1] Ries wechselte zur Hofkapelle in Berlin.

[2] Vgl. Felix Mendelssohn Bartholdy an seine Familie, 24.07.1824, in: Felix Mendelssohn Bartholdy, Sämtliche Briefe, Bd. 1, hrsg. v. Juliette Appold und Regina Back, Kassel 2008, S. 131f.; Felix Mendelssohn Bartholdy und Abraham Mendelssohn Bartholdy an Fanny Mendelssohn Bartholdy, 27.07.1824, in: ebd., S. 133f., hier S. 134; Felix Mendelssohn Bartholdy an Carl Friedrich Zelter, 30.07.1824, in: ebd., S. 134f., hier S. 135; Felix Mendelssohn Bartholdy an seine Familie, 31.07.1824, in: ebd., S. 135f., hier S. 135.

[3] Auf dem Gut Gerdshagen von Mühlenbruchs Vater Caspar Friedrich Mühlenbruch in Gerdshagen, heute einem Ortsteil von Satow in Mecklenburg.

[4] Vgl. dazu auch die Korrespondenz Karl Wilhelm Ferdinand Seiffarts mit Spohr.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (31.05.2019).