Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Liebenstein, d. 21 July, 24
Ueber die Entschuldigung, lieber Herr Kapellmeister, die ich Ihnen eigentlich zuvörderst wegen meines langen Stillschweigens machen müßte, erlauben Sie mir wieder ebenfalls ein Stillschweigen; Zerstreuungen aller Art, Lateinische u. Griechische Arbeiten, eine gewiße innere Unruhe ließen mich nie zum oft vorgesetzten Schreiben kommen, endlich stand mir ganz nah die Zeit bevor, Sie auf meiner Rückreise in Cassel zu sehen, dieß zerschlug sich aber ebenfalls u. da ich in Gesellschaft einiger Freunde reiste, hatte ich nicht die Reiseroute zu bestimmen, u. der nächste Weg von Göttingen über Witzenhausen u. Aldorf nach Hoheneichen wurde eingeschlagen; so bin ich um die Freude gekommen Sie u. Ihre Familie besuchen zu können, – halb sollte es mir wohl eigentlich lieb seyn, denn ohne eine Portion Vor[???] würden Sie mich wahrscheinlich nicht empfangen haben, nun dies hätte ich aber doch gern u. geduldig ertragen bey dem größeren Ersatz Sie zu sehn. – Ihre Frau Gemahlin trug mir damals auf1, als ich zuletzt bey Ihnen war,2 mich nach Damenoberröcken von Nanquin zu erkundigen, meine Mutter meint, daß solche jetzt ganz aus der Mode wären, da jedes Dienstmädchen jetzt damit ausgestattet sey, übrigens sey der Nanquin nicht breiter als gewöhnlich. – Zu meinem großen Erstaunen las ich in dem Schwencke’schen Catalog der nachgelaßenen zum Verkauf ausgestellten Musikalien auch Ihre Oper „der Zweykampf“ in Partitur aufgeführt3, – Sie davon zu benachrichtigen beeile ich mich, damit Sie Ihre Maßregeln darnach nehmen u. im schlimmsten Fall sie selbst kaufen könnten. –
Ich kenne die juristischen Gesetze in solchem Falle nicht, kann deshalb auch nicht sagen, ob die Schwencke’schen Erben ein Recht zu solchem Verfahren haben, Sie werden sich in Cassel schon Rath darüber verschaffen können. – Von hieisigen Badegästen höre ich, daß am Geburtstag der Churfürstin Euryanthe bey Ihnen gegeben wird, ich möchte es möglich machen können, da zuzuhören4; – meine Berufsgeschäfte halten mich auch nicht davon ab, aber meine angefangene Badecur, die keine Unterbrechung erlaubt, von der Theater-Direktion hab ich mich diesem Sommer frey gemacht, da die Aerzte es zu meiner vollkommenen Genesung für nöthig halten. – Uebrigens habe ich Euryanthe in Hannover recht gut geben sehn, von einer Vorstellung läßt sich aber noch nicht viel sagen, da ich nicht einmal eine Probe davon gehört habe; – der erste Akt gefiel aber doch viel beßer als die beyden Andern. – Eine große Bitte hab ich Ihnen in meinem u. des guten Herzogs Nahmen noch zu sagen, sie ist die einen guten Künstler zu der Meininger Direktor Stelle vorzuschlagen; die Haupterforderniße sind daß er gut u. feurig dirigirt, daß er ein tüchtiger Violinist5 u. endlich ein liebenswürdiger, unverdorbener Mensch ist; – glauben Sie, daß Ihrer(?) vielleicht dazu paßte? – bitte, sorgen Sie ein wenig für einen recht tüchtigen Menschen, der auch besonders ein wohlwollendes Herz hat. da das Wohl vieler Menschen von ihm abhängt! – – Der Herzog ist sehr traurig, daß ich ihn verlaße, in Göttingen werde ich meine Studien anfangen. – Gestern probirte ich die Ouverture zu Ihrer Jessonda, die allgemein Sensation erregte. – Grüßen Sie Ihre Familie u. meine Freunde von Ihrem Sie innig liebenden
Eduard Grund.
Autor(en): | Grund, Eduard |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Bernhard II Sachsen-Meiningen, Herzog Grund, Christiane Eleonore Schwencke, Christian Friedrich Gottlieb Spohr, Dorette |
Erwähnte Kompositionen: | Spohr, Louis : Jessonda Spohr, Louis : Der Zweikampf mit der Geliebten Weber, Carl Maria von : Euryanthe |
Erwähnte Orte: | Göttingen Hamburg Liebenstein Meiningen Witzenhausen |
Erwähnte Institutionen: | Hofkapelle <Meiningen> Hoftheater <Hannover> Hoftheater <Kassel> Hoftheater <Meiningen> Universität <Göttingen> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1824072139 |
Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Grund an Spohr, 21.01.1824. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Grund an Spohr, 17.09.1824.
[1] „auf“ über der Zeile eingefügt.
[2] Hier gestrichen: „auf“.
[3] Verzeichniss der von dem verstorbenen Herrn Musikdirektor C. F. G. Schwencke hinterlassenen Sammlung von Musikalien aus allen Fächern der Tonkunst […] welche am 30sten August und folgende Tage im Kramer-Amthause, grosse Johannisstrasse Nr. 60, P. 4, durch den Auctionarius J. J. Berndes öffentlich verkauft werden soll, Hamburg 1824, S. 26.
[4] Zur Aufführung in Kassel vgl. Spohr an Wilhelm Speyer, 01.08.1824.
[5] Hier gestrichen: „ist“.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (13.12.2022).