Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Muehlenbruch,H.:3

Sr Wohlgeboren
dem Herrn Kapellmeister L. Spohr
in
Cassel.

frei.


Gerdeshagen, d. 30 Juni 1824.

Hochgeschätzter Herr Kapellmeister!

Ich erlaube mir, in der Voraussetzung daß es Sie etwas interessire, Ihnen einiges über meine Reise, von der ich seit einigen Tagen zurückgekehrt, zu erzählen. Von Cassel reiste ich nach Gotha und wurde da so wie allenthalben wohin Sie mich empfohlen hatten, auf's freundschaftlichste aufgenommen. Ich bekam mit einiger Mühe Erlaubniß auf dem Theater im Zwischenacte zu spielen, und wählte dazu Ihren Potpouri in B1 und den über irländ. Thema's2. Am Tage darauf fuhr ich auf Einladung des H. Walch, nach Langensalza und spielte dort die beiden selben Potp.s. In Meiningen veranstaltete Grund eine Quartett-Parthie für mich beim Herzoge, wo ich Ihr neuestes Es-Dur-Quartett3, das Solo-Quart. in E4 und einen Potp. von Fesca5 spielte. Bei Grund, der fast völlig wieder hergestellt ist, haben wir auch einmal Quart. + Quint. gemacht. Der Oberforstmeister Holleben in Rudolstadt war sehr erfreut über Ihren Brief6; er lud mich zum Mittagessen ein um recht viel von Ihnen und Ihrer lieben Familie zu hören. Des Abends wurde musicirt und ich spielte unter anderen Ihr H moll Quartett7. Öffentlich bin ich in Rudolstadt nicht aufgetreten. Obgleich ich mich in Halle erst (in Hinsicht des Violin-Spielens) von meiner Krankheit erholt habe, so glaube ich doch vorher schon einigen Beifall gefunden zu haben. In Halle bin ich mehrfach öffentlich aufgetreten und habe da auch unter anderen Adagio & Rondo aus dem e dur quartett und das Potp. op. 5 gespielt. In Leipzig habe ich den irländischen Potp. gespielt8, bin aber nicht dazu gekommen ein eigenes Concert zu geben; auch in Dessau war nichts zu machen. Ich habe mich in Halle längere Zeit aufgehalten und ein Solo-Quartett und eine Sammlung von Gesängen componirt, die ich beide bei Hofmeister in Leipzig herausgeben. Wüsste ich nicht wie sehr Sie immer mit Geschäften überhäuft sind, so hätte ich Ihnen die beiden Arbeiten zugeschickt und Sie um Ihr Urtheil darüber gebeten. Es war meine Absicht Ihnen mein erstes Werk zuzueignen, ich habe aber bedacht daß es besser sey damit zu warten bis ich etwas Besseres liefern kann; ich habe aber meinem Verleger aufgetragen Ihnen ein Exemplar von beiden Sachen zuzuschicken, welches Sie hoffentlich nicht verschmähen werden.
Ich fand hier bei meiner Ankunft einen Antrag zu der Director-Stelle in Nordhausen vor, den ich wahrscheinlich nur Ihrer gütigen Empfehlung9 zuzuschreiben habe, und wofür ich Ihnen meinen herzlichsten Dank sage. Ich habe darauf geantwortet daß ich weder Klavier- noch Orgel-Spieler sey, daß ich aber gern, wenn man sich mit meinen übrigen Leistungen begnügen wolle, erbötig sey, mich dort zur Prüfung einzufinden.
Ich bin jetzt damit beschäftigt eine Operette, die ich im Winter in Altona componirt, in Partitur zu setzen; wenn sie auch nicht zur Aufführung kommt, so kann ich sie doch als eine gute Vorbereitung zu größeren Arbeiten dieser Art ansehen. Eine Romanze daraus wird unter meinen Gesängen erscheinen.
Meine Eltern lassen sich Ihnen und Ihrer lieben Familie bestens empfehlen, so wie auch Ihr

Sie immer hochachtender
H. Mühlenbruch



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Mühlenbruch an Spohr, 18.08.1822. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Mühlenbruch an Spohr, 08.09.1824.

[1] op. 22.

[2] op. 59.

[3] op. 58.1.

[4] op. 43.

[5] In Frage kommen op. 6, 11 oder 23 von Friedrich Ernst Fesca.

[6] Dieser Brief ist derzeit verschollen.

[7] op. 61.

[8] Zum Konzert am 18.03.1824 vgl. „Leipzig, am 26. Juny. Abonnement-Concerte von Michaelis 1823 bis Ostern 1824“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 26 (1824), Sp. 485-490, hier Sp. 489; „Leipzig im März“, in: Morgenblatt für gebildete Stände 18 (1824), S. 347f. und 352, hier S. 352.

[9] Dieser Brief von Spohr an Karl Wilhelm Ferdinand Seiffart ist derzeit verschollen.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (31.05.2019).