Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Seiffart,K.:3

Wohlgebohrener
Hochzuverehrender Herr Kapellmeister!

Genehmigen Sie meinen aufrichtigen, ungeheuchelten und herzlichen Glückwunsch, zu dem Ihnen zu Leipzig durch Ihre ganz vortreffliche Jessonda, bereiteten glänzenden Triumph. Die in öffentlichen Blättern darüber mitgetheilten Notizen1, bereiteten mir eine seltene Freude. Dank den braven Leipzigern, daß sie das große Publicum aufmerksam auf ein klassisches Werk machten, welches den Schöpfer wie Gluck und Mozart unsterblich machen wird. Meine Sehnsucht zu dieser Pracht-Musik war so hinreißend, daß ich mit reger Phantasie in Gesellschaft meines ältesten Sohnes – um einen geweihten Theilnehmer zur Seite zu haben – vergnügt die Reise nach Leipzig zur Messe antrat; allein man fand daselbst für gut, statt der zweimal vergebens angekündigten Jessonda, – Preciosa, pantomimische Ballets u dergl. unbedeutende Sächelchen zu geben und überließ, zu Hause von neuem den Klavier-Auszug aufs Pult zu legen. Es bleibt mir daher nur noch übrig, im Lauf dieses Sommers, mich auf die Schnellpost zu setzen, um zu Kassel meinen Heißhunger zu stillen.
Herr Kuffrath welcher sich bei seiner Anwesenheit – vorigen Herbst, verpflichtete zu Ostern d.J. Alhier einzutreffen, hat sich gänzlich in tiefes Schweigen gehüllt und nur auf amtlichem Wege erhielt ich vom Bürgermeister zu Mühlheim2, das abschriftl. beiliegende Schreiben3. Ohne hiervon jedoch Notiz zu nehmen, ließ ich lezten zuvor passiren und habe jetzt amtlich ihn an seine Zusage erinnert mit dem Zusatz: daß ich im verfolgenden Weigerungsfall, höhern Orts Anzeige machen werde, um ihn durch Zwangsmittel zur Erfüllung seines Gelöbnisses anhalten zu lassen. Zugleich habe ich denselben in einem Privatschreiben, auf die Folgen aufmerksam gemacht, welche hieraus für ihn nothwendig hervorgehen würden.
Ich befinde mich durch diesen Mann, wirklich in einer bösen Lage, da ich alle Compatanten, im Vertrauen auf die Kuffrathsche Zusage, abschläglich beantwortete.4
Hat sich nicht in der jüngsten Zeit, derselbe gegen Sie in Bezug auf hier geäusert? Finden Sie meine letzten Schritte geregelt? und ist Ihnen im unglücklichen Fall kein anderes brauchbares Subject zur hiesigen Stelle bekannt?
Ich bitte inständigst, um gütige Nachsicht meiner großen Zudringlichkeit und versichere, daß nur die durch Hrn.Kuffrath herbeigeführte große Verlegenheit, mein Erröthen hierüber einigermaßen mildert. Der Letztere mögte vielleicht durch das Orgelspiel abgeschreckt werden; allein dieses darf ihn nicht besorgt machen; denn für die nächsten Jahre und bis zu genauern(???), größern Bekanntschaft mit diesem Instrument, wird sich schon jemand finden lassen, welcher so wie jetzt die Leere füllt.
Es ist die ausgezeichneteste Hochachtung und Ergebenheit mit welcher ich die Ehre habe zu seyn
Euer Wohlgebohren

ergebenster Verehrer
und Diener.
Seiffart.

Nordhausen
d. 17 May 1824.

Autor(en): Seiffart, Karl Wilhelm Ferdinand
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Gluck, Christoph Willibald
Kufferath, Johann Hermann
Mozart, Wolfgang Amadeus
Seiffart, Ferdinand Conrad
Weuste, Christian
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Jessonda
Weber, Carl Maria von : Preciosa
Erwähnte Orte: Nordhausen
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1824051747

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Seiffart an Spohr, 10.10.1823. Spohrs Antwortbrief ist derzeit verschollen.

[1] Vgl. z.B. „Ueber Jessonda“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 26 (1824), Sp. 390-395.

[2] Christian Weuste.

[3] Nicht ermittelt.

[4] Noch im Herbst des Jahres klagt eine Nordhauser Publikation: „dessen tief gefühlter Verlust noch nicht wieder ersetzt ist“ (Mittheilungen zu einer Geschichte der Schulen in Nordhausen, gegeben bei Gelegenheit der doppelten Jubelfeier des Gymnasiums daselbst am 3. und 4. October 1824, Nordhausen 1824, S. 62).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (15.05.2019).