Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,223

Theuerster Freund!

Die Jessonda wurde gestern zum 3. male bei vollem Hause gegeben. – Wie ich es (nach dem was zwischen Guhr und mir verhandelt worden) erwarten durfte, so wurden die Tempi diesmal sehr gut genommen. Die Ouverture rasch und feurig wurde lebhaft beklatscht. Der Chor mit den obligaten Posaunen fast noch einmal so langsam als früher, und überhaupt alles präsis. – Desto schlechter ging es mit den Sängern. – Die Schulz ließ sich vor der Aufführung wegen Unpäßlichkeit entschuldigen, und sang zum Erbarmen.1 Die übrigen thaten es ihr nach. Trotz dem wurde die Oper sehr gut aufgenommen, und von Kennern und Nichtkennern anerkannt. – Ein Fremder welcher neben mir saß, versicherte mir, daß sie vor 14 Tagen in Berlin aufgeführt sei. Ist demso? – In meinen letzten Briefen bat ich Sie mir die Zeit Ihrer Ankunft zu melden. Ich wiederhole nun meine Bitte, indem es besonders meiner Frau wegen häußlicher Angelegenheiten (große Wäsche pp.) zu ersuchen wichtig ist. Sehr angenehm wäre es mir, wenn Sie schon Ende dieses Monaths oder doch gleich zu Anfang des nächsten, hier einzutreffen gedächten, schon aus dem Grunde, weil ich Sie gern ins Rheingau aufs Guth bringen möchte, um 1 oder 2 Tage daselbst zu verweilen. Wenn Sie das Rheingau noch nicht gesehen haben, so wird Ihnen dieses höchst interessant sein. Später hin, kann ich aber nicht von hier abkommen. – Da Sie wahrscheinlich die berühmte Olympia noch nicht gehört, so werden Sie solche in Darmstadt hören. –
Sagen Sie mir doch ja umgeh[end Ihre] Meinung über die Oper „der Schnee” von Auber (vorausgesetzt daß Sie solche haben) – Es sollen vortreffliche Sachen sein. – Wie weit sind Sie mit dem Berggeist? Döring hat mir das Buch, vor seiner Abreise, gegeben. – Zemire wird nun bestimmt hier in Scene gesetzt, u. zuvor vortrefflich besetzt. Azor Nieser, Zemire Bamberger, Ali Größer, Sander Dobler. – Vielleicht hören Sie die erste Aufführung.

Die besten Grüße den lieben Ihrigen
WmSpeyer

Am 14 Mai 24



Dieser Brief schließt an Speyer an Spohr, 08.05.1824 an. Spohr beantwortete diesen Brief am 21.05.1824.

[1] Vgl. dagegen „Chronik der Frankfurter National-Bühne”, in: Iris (1824), S. 169f. hier S. 170.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (20.02.2016).