Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Leipzig, den 26ten April 1824
Euer Wohlgebohren!
In Erwiderung Ihres sehr werthen vom 27ten Februar, danke ich Ihnen für die mir gemachte Mittheilung, und Ihres gefälligen Antrags Sie im Laufe dieses Sommers mit Gastrollen zu besuchen. Wie Ihnen bekannt geht mein Leipziger Contrakt mit ultimo May zu Ende, und ich bin jetzt entschloßen keine neue Verlängerung einzugehen. Mein erster Plan war eine Reise nach Wien zu machen um meinen Vater1 zu besuchen, doch änderte ich selben dahin ab über Braunschweig, Hannover nach Cassel zu kommen, und dann allenfals über Frankfurt a/m nach Amsterdam zu gehen, um dem Winter dort über zu verbleiben. Finde ich, während dieser meiner Reise ein annahmbares Engagemeent, so unerbleibt die Fortsetzung derselben von selbst. Ich komme Sie daher freundschaftlichst zu bitten, mir in gefälliger Rückantwort zu sagen ob ich Ihnen Anfangs August gelegen komme, und ob Sie mir in diesem Monat eine bestimmte Anazhl Gastrollen zusichern können, nebst gefälligster Bestimmung des Honorars. Wir haben verfloßenen Freitag den 23t ds. Ihre Oper Jessonda zum 5ten mahle, bei ganz vollem Hause gegeben. Die Enthusiasmus stieg noch immer von Vorstellung zu Vorstellung, Es gehörte gewiß viel dazu, und es wahr2 blos Ihrem Talente vorbehalten unserm Publikum, welches durch übertriebenen Ohrenkitzel, oder durch Belastung aller auf die übrigen Sinne einwirkenden Reitzmittel, verwöhnt, noch Sinn für das Gediegene und mehre Große abzugewinnen, und ich gebe daher noch nicht alle Hofnung auf, daß eben weil solche Retizmittel bald Ekel und Uberdruß erregen müßen es endlich den entschiedenen Werth des wahren Schönen einsehen lernen muß. Sie sind darin allen lebenden Komponisten mit gutem Beispiel vorgegangen. Gott gebe nur, daß Sie Ihnen auch mit so glücklichem Erfolg nachfolgen mögen.
Indem ich Sie bitte mich Ihrer Frau Gemahlin bestens zu empfehlen, ersuche ich Sie noch um gefällig baldige Antwort, da Ihr Brief mich erst gantz bestimmen wird, entweder meinen ersten oder zweiten Reiseplan auszuführen.
Mein Mann3 und ich empfehlen uns Ihrem geneigtem Andenken, und ich nenne mich der ausgezeichnetsten
Hochachtung
Ihr
ergebenste Dr4
A.M. Neumann-Sessi
Autor(en): | Neumann-Sessi, Anna Maria |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Neumann, Ignaz Sessi, Giovanni |
Erwähnte Kompositionen: | Spohr, Louis : Jessonda |
Erwähnte Orte: | Amsterdam Braunschweig Frankfurt am Main Hannover Kassel Leipzig Wien |
Erwähnte Institutionen: | Stadttheater <Leipzig> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1824042644 |
Dieser Brief ist die Antwort auf den derzeit verschollenen Brief Spohr an Neumann-Sessi, 27.02.1824. Spohrs Antwortbrief ist derzeit ebenfalls verschollen.
[1] Giovanni Sessi.
[2] Sic!
[3] Ignaz Neumann.
[4] Hier wohl Abk. f. „Dienerin“.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (29.07.2022).