Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,59
Sr. Wohlgeb.
Herrn Wilhelm Speyer
in
Offenbach a/m
Cassel am 8ten Aprill
24.
Geliebter Freund,
Herzlichen Dank, daß sie mir sogleich über die Aufnahme, welche Jessonda gefunden, Nachricht gegeben haben. Ich bin froh, daß sie Eingang gefunden hat und hoffe daß bey öfteren Anhören auch die einfacheren Sachen des ersten Akts, die mir fast die liebsten der Oper sind, Eingang finden werden. Zu diesen gehören hauptsächlich das Duett zwischen Nadori und Dandau und das Finale des ersten Akts. Im 3ten setze ich auf das Rezitativ: wo Tristan die Vision vom Flammentod der Geliebten hat und auf die Scene während dem Gewitter wo die Götzenbilder herumgetragen werden, den meisten Werth. Das Ende der Oper ist würklich, auch fast alle Berichterstatter von Leipzig aus gerügt haben1, ein wenig matt, doch wäre dem durch einen langen, breiten Chor warlich nicht abzuhelfen gewesen. So wie die Entwicklung da ist, hört das Interesse auf und da der ganze dritte Akt stürmisch ist, so mußte das Ende kälter werden. So wie man die Oper aber erst einmal gesehen hat, gewöhnt man sich daran, wenigstens ist es so hier und in Leipzig gewesen. – Haben Sie nun die Güte mir noch zu melden, wie die 2te Aufführung aufgenommen ist, so auch wie man im Ganzen über die Oper urtheilt. – Ein sonderbarer Zusammenf[all] ist es, daß man die Oper in Frankfurt an meinem Geburtstage zum ersten Mal gegeben worden ist und daß meine Freunde hier, durch die Postzeitung davon unterrichtet, während der Oper auf einen glücklichen Erfolg mit mir anstießen! – Nächsten Sonntag wird sie hier gegeben werden.
Ich habe mir fast vorgenommen in unserer Ferienzeit und zwar in der ersten Hälfte des Juni Sie zu besuchen und werde mich, wenn sich nicht ganz ungewöhnliches ereignet, durch nicht von diesem Vorsatz abwendig machen lassen.
Molique hat mein neues Solo-Quartett hier zwar gehört aber selbst nicht gespielt und es daher bey Ihnen wirklich a vista gespielt. Nachdem, wie er meinen neuen Duette gelesen hat, traue ich ihm wohl zu, daß er auch jenes Quartett herunter reißt! Grüßen Sie ihn herzlich von mir und wenn ihm das Andante des Quartetts wirklich so lieb sey, wie er schon hier sagte, so möge er es in Gottes Nahmen abschreiben. Melden Sie mir doch auch den Z[uspruch(?) s]eines Concerts in Hinsicht des [Textverlust] der(?) Einnahme.
Leben Sie wohl und erfreuen Sie mich bald wieder mit einem Briefe. Von uns allen die herzlichsten Grüße an die lieben Ihrigen. Immer mit herzlicher Freundschaft ganz
der Ihrige
Louis Spohr.
Autor(en): | Spohr, Louis |
Adressat(en): | Speyer, Wilhelm |
Erwähnte Personen: | Molique, Bernhard |
Erwähnte Kompositionen: | Spohr, Louis : Duos, Vl 1 2, op. 67 Spohr, Louis : Jessonda Spohr, Louis : Quartette, Vl 1 2 Va Vc, op. 68 |
Erwähnte Orte: | Frankfurt am Main Kassel Leipzig |
Erwähnte Institutionen: | Hoftheater <Kassel> Stadttheater <Frankfurt am Main> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1824040802 |
Dieser Brief ist die Antwort auf Speyer an Spohr, 06.04.1824. Der nächste Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Speyer, 14.04.1824.
[1] Vgl. Kalophilos, „Leipzig im Februar 1824, S. 216, 220 und 224, hier S. 224; Amadeus Wendt, „Ueber die Oper Jessonda von Spohr und Gehe”, in: Zeitung für die elegante Welt 24 (1824), Sp. 265-268, 275-278, 281-284, 291-294, hier Sp. 293.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (19.02.2016).