Autograf: Universitätsbibliothek Kassel – Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sr. Wohlgeboren
Herrn Kapellmeister Spohr
in
Hessen-Kassel1


Theurer Freund!

Obgleich der in Ihrem Briefe vom 18. d. M. enthaltenen Antrag mich wirklich beschäftigt findet, so nehme ich ihn doch gern an, da es heute gilt meine Muse mit der eines so verehrten Freundes und Kunstmeisters zu verbinden. Ueberdem hat mir das Märchen vom Rübezahl schon längst als höcht tüchtiges Opernsujet vorgeschwebt, das ich einmal zu bearbeiten mit ohnehin vorgesetzt hatte. Ich werde also, sobald ich von Ihnen Gehes Werk2, das ich übrigens blos insofern als den Entwurf Ihres Szenariums enthält gebrauche, gleich an die Arbeit gehe. Sollte mir bei der Ansicht des Ganzen irgend ein neues szenisches Motiv, eine gute musikalische Situation in Gedanken kommen, welche nach meiner Meinung der Dichtung zum Vortheile gereichten, so werde ich diese Ideen nicht eher zur Ausführung bringen, als ich sie Ihnen mitgetheilt und Ihr Urtheil darüber erhalten haben werde. Die Rüben sind ziemlich anstößig, wie aber kommen Blumen in eine Beziehung zu seinem entstandenen Namen Rübezahl? Im Ganzen ist jedoch seiner nicht viel gelegen, wenn wir das Rübezahl als längst unter diesem Namen bekannt annehmen. – Daß auch ich von dem Ueberfluße des Reims in Operndichtungen überzeugt bin, glaube ich Ihnen schon in einer früheren Uebersendung gesagt zu haben. Durch gehaltene Characterzeichnung, lebendige Darstellung der Verhältnisse und bestimmende Gefühlssprache kann nur dem Tanzmeister gedient seyn und in diesen Beziehungen denke ich Ihrem Vertrauen völlig zu entsprechen. Senden Sie mir nun umgehend das Sujet und ich werde, um mich ihm sogleich zu widmen, gern meine Phantasiegemälde auf 1825 und zwei von Guhr und Reissiger verlangte Opern zurückstellen. Mit Ihren sonstigen Bedingungen bin ich ganz einverstanden.
Werbers Euryanthe hat hier Alles kalt gelassen. Manche gute musikalische Hausmannsgedanken sind darin, im Ueberfluße aber triviales und dabei affektirtes genug. Ich freue mich auf die Jessonda. – Nehmen Sie nicht übel, wenn ich Sie bitte, das einliegende Briefchen abgeben zu lassen.

Herzlichst
Ihr
Georg Döring.

Autor(en): Döring, Georg
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Gehe, Eduard
Guhr, Carl
Reissiger, Carl Gottlieb
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Der Berggeist
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1824032247

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf den derzeit verschollenen Brief Spohr an Döring, 18.03.1824. Spohrs Antwortbrief ist derzeit ebenfalls verschollen.

[1] Auf dem Adressfeld befindet sich rechts oben der Poststempel „FRANKFURT / 22 / MAR“, auf der Rückseite des zusammengefalteten Briefumschlags der Stempel „24 MERZ 1824“.

[2] An dieser Stelle hat Döring offensichtlich ein Verb wie „erhalte“ vergessen.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (10.05.2023).