Friedrich Christian Ruppe an Louis Spohr in Kassel

S^r Wohlgebohren
Herrn Kapellmeister Spohr
zu
Cassel
in
Chur Hessen

frei.
Herrschaftl.¹


Meiningen
d 21. März
1824.

Wohlgebohrner, hochgeehrtester Herr Kapellmeister,

Verzeihen Ew. Wohlgebohren, wenn ich um einige gütige Nachricht bitte, ob Sie die Gewogenheit gehabt haben, meine Ihnen übersandten musicalischen Versuche durchzusehen und aufzuführen und, wenn Sie dazu noch keine Zeit gefunden haben, ob ich Hoffnung habe, daß solches bald geschehen wird? Ew. Wohlgebohren einsichtsvolles Urtheil darüber ist mir von größtem Werth und ich werde Ihre Bemerkungen zu Verbeßerung dieser Tonstücke mit der größten Bereitwilligkeit benutzen. Doch wünsche ich, daß solche nicht zu lange im Verborgenen bleiben mögen. Das Menschenleben ist kurz und von unbestimmter Dauer. Die Zeit der Kraft ist zu benutzen; unbenutzt ist sie verlohren. Ich kan² mir schon denken, daß Ew. Wohlgebohren stets mit Schaffen neuer Tongemählde, mit Erziehen braver Violinspieler, mit Opernproben und deren Aufführungen reichlicht beschäftigt, wo wenig übrige Zeit finden werden und gern will ich mich noch einige Zeit gedulden, wenn ich die Versicherung erhalt, daß Ew. Wohlgebohren die Güte haben wollen, meine musicalischen Versuche bald vorzunehmen. Ew. Wohlgebohren beiden Sinfonien haben wir nebst den großen Ouverturen zum Faust pp vor kurzem mit dem größten Vergnügen aufgeführt. Durch H. Grund haben ich erfahren daß Ew. Wohlgebohren auch einige Zeit abwesend waren. Dero würdigen Frau Gemahlin bitte ich mich bestens zu empfehlen und bleibe in Erwartung einer baldigen gütigen Antwort

Ew. Wohlgebohren
gehorsamer Diener
Friedrich Christian Ruppe.