Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,58
Druck: Eduard Speyer, Wilhelm Speyer der Liederkomponist 1790-1878. Sein Leben und Verkehr dargestellt von seinem jüngsten Sohne, München 1925, S. 74f.
Inhaltsangabe: Till Gerrit Waidelich, „Die Beziehungen zwischen Carl Maria von Weber und Louis Spohr im Spiegel ihrer Korrespondenz“, in: Weberiana 24 (2014), S. 117-144, hier S. 135 (teilweise)
 

Sr. Wohlgeb.
Herrn Wilhelm Speyer
in
Offenbach a/m0
 
 
Cassel den 18ten März
24.
 
Geliebter Freund,
 
Was ich fürchtete, trifft nun ein. Die Oper ist in Frankfurth zu einer Zeit angesetzt, wo ich hier durchaus nicht abkommen kann. Unsere täglichen Meßvorstellungen dauern hier bis zum11ten Aprill, bis zu diesem Tage kann ich nicht einen Tag abwesend seyn. Ich habe daher die Idee, zur Aufführung der Oper nach Frankfurt zu gehen, aufgegeben, mir aber fest vorgenommen, Sie auf 8 Tage zu besuchen, sobald unsere Ferien begonnen haben. In einer Hinsicht ist es mir lieb, daß ich in Frankfurt bei der 1sten Aufführung nicht auch zugegen bin, denn wenn die Oper mehr Beyfall haben sollte als die Euryanthe, so werden Webers Freunde dies lediglich meiner Anwesenheit und dem Betreiben meiner dortigen Freunde zuschreiben. Auch könnte man sich überhaupt darüber aufhalten, wenn ich so von Stadt zu Stadt ziehe und die Sache betreibe. Ich glaube aber, es würde gut seyn, wenn Guhr und das Theaterpersonal noch immer der Meynung bleiben, ich würde bey der Aufführung anwesend seyn, weil sie dann mit mehrerem Eifer studiren werden. – Was am leichtesten angegriffen und mißverstanden werden kann, ist das langsame Tempo der Ouverture. In dieser müssen die 4tel Noten immer gleiche Geschwindigkeit behalten, so daß das 3/4 noch einmal so schnell wird, wie der 3/2 Takt. Das hatte der Direktor in Leipzig mißverstanden und dadurch die Ouverture ganz verdorben. Sie erinnern sich wohl nicht, ob Guhr bey der Aufführung der Ouverture in seinem Concert es so verstanden hat, wie ich es hier andeute? Das allegro der Ouverture muß so schnell genommen werden, wie das Orchester es nur deutlich herauszubringen im Stande ist.
Aus einem Brief aus Leipzig an Gerstäcker ersehe ich, daß der Beyfall den die Jessonda dort gefunden hat, bey den späteren Aufführungen immer derselbe bleibt. Dieß freut mich ungemein.
Weber will nun zur Aufführung der Euryanthe auch selbst nach Leipzig gehen und bei der Gelegenheit auch der 50sten Aufführung des Freyschützen beiwohnen. Unlängst fragte er bey mir an, wie ich meine Oper in Dresden besetzt zu haben wünschte und versprach mir, sie sogleich nach der Euryanthe in Scene zu setzen.1 – Von Berlin weiß ich noch gar nichts, seit meiner Rückkunft aus Leipzig bin ich ganz ohne Briefe daher.
Ich habe ganz neue Violinduetten geschrieben, die ich gern einmal mit Ihnen spielen mögte. [Dann] werde ich bald die neue Oper2 anfangen, [vor der] Messe aber wohl nichts sonderliches daran zu[stande]bringen.
Von meiner Frau an die lieben Ihrigen die herzlichsten Grüße. Ich erwarte nun einmal einen ausführlichen Brief von Ihnen!
Mit herzlicher Freundschaft stets
 
der Ihrige
Louis Spohr.



Dieser Brief ist die Antwort auf Speyer an Spohr, 13.03.1824. Speyer beantwortete diesen Brief am 06.04.1824.
 
[0] [Ergänzung 02.05.2022:] Auf dem Adressfeld befindet sich rechts oben der Poststempel „CASSEL / 19 MERZ“.
 
[1] Vielleicht Carl Maria von Weber an Spohr, 12.01.1824, in dem Weber Spohr tatsächlich nach der Besetzung für die Dresdener Jessonda-Inszenierung fragt. Da Weber in diesem Brief jedoch nicht von seiner geplanten Reise nach Leipzig berichtet, noch Spohr verspricht, Jessonda in Dresden gleich nach Euryanthe einzustudieren, ist möglicherweise ein weiterer Brief verschollen.
 
[2] Der Berggeist.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (19.02.2016).

Cassel, 18. März 1824.
 
Was ich fürchtete, trifft nun ein. Die Oper ist in Frankfurt zu einer Zeit angesetzt, wo ich hier durchaus nicht abkommen kann ... In einer Hinsicht ist es mir lieb, daß ich in Frankfurt bei der ersten Aufführung nicht auch zugegen bin, denn wenn die Oper mehr Beifall haben sollte als die ,Euryanthe’, so werden Webers Freunde dies lediglich meiner Anwesenheit und dem Betreiben meiner dortigen Freunde zuschreiben. Auch könnte man sich überhaupt darüber aufhalten, wenn ich so von Stadt zu Stadt ziehe und die Sache betreibe ...
Weber will nun zur Aufführung der ,Euryanthe’ auch selbst nach Leipzig gehen und bei der Gelegenheit auch der fünfzigsten Aufführung des ,Freischütz’ beiwohnen. Unlängst fragte er bei mir an, wie ich meine Oper in Dresden besetzt zu haben wünschte und versprach mir, sie sogleich nach der ,Euryanthe’ in Szene zu setzen ...