Autograf: Universitätsbibliothek Kassel, Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek. Handschriften (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Methfessel,A.:1

Hamburg, am 29. Febr.
1824.
 
Mein theurer Freund,
 
Herzlichen Dank für Ihre freundlichen Zeilen. Ich habe dem Vater1 des Sohnes2, der gern ein Zögling werden will, die nöthigen Mittheilungen gemacht, und nach reiflicher Uiberlegung und Berathung mit mir und andern Kunstgenoßen hat er den festen Entschluß gefaßt, seinen Sohn auf Ostern in Gottes Namen nach Caßel zu senden. Das Bürschchen scheint in der That etwas zu versprechen, und wenn Ihr Genius seine Fittige über dem neuen Kunstjünger schwingt wird gewiß der Funcke zur Flamme werden. Der Papa wird nun bereits selbst an Sie geschrieben haben, und ihm überlaße ich also das Weitere.
Jeßonda´s Schicksal hat mich und Ihre zahlreichen Freunde in H. lebhaft aufgeregt! Glück zu, trefflicher Meister! Das Edle soll2a sich wohl auch ohne Wolfschlucht3 durchkämpfen. Die höchst glückliche Aufnahme Ihrer Oper in Leipzig4 macht hier eine für Sie sehr günstige Bewegung, und ich bin überzeugt, die Direction wird nun eilen, sich auch in den Besitz derselben zu setzen. Wir freuen uns sehr auf den Clavierauszug, und ich werde in meinem Kreise recht thätig seyn für das Flammenkind.
Gestern hab‘ ich den Soldatenchor in der mus. Ztg. gefunden.5 Das ist ein gar kräftig-frisches Stück, und muß auf allwärts ziehen und fortreißen. Da hab´ich nun gedacht: Wenn der treffliche Freund Spohr mir die Partitur dieses Chores bald möglichst senden wollte, so würde ich bald eine entsprechende Gelegenheit haben, dem Hamb. Publikum einen Vorschmack des ganzen Werkes durch eine gewiß sorgfältige u. feurige Ausführung deßelben dieses Chores mit vollem Orchester und wenigstens 40 Männerstimmen, deren Kern meine Liedertafel bildet, geben zu können. Uiberlegen Sie sich die Sache, u. sind Sie gewiß, so säumen Sie nicht, mir und allen Kunstfreunden diese Freude zu machen. Sie sollen, bei Apollo schwör’ ichs, keine Schande davon haben. – Ihre Einladung, Sie zu besuchen, laß’ ich mir gesagt seyn, und es läßt sich mehr darüber reden. Wie ich mich darum freue, würde ich Ihnen vergeblich schildern. – Ich bin in einem Tumult von Geschäften und Zerstreuungen, der ebenfalls unsäglich ist. Jezt unter andern frißt meine Zeit die erneute Aufführung meiner Cantate für den Männerchor, womit ich im vor Jahr debütirte, u. die nun wieder zum 21. März von mir begehrt. Ich habe sie erweitert, und denke, sie soll ganz erbaulich schallen. Nun gelingt alles schon Ostern, da ich Ort u. Gelegenheit kenne. -
Geben Sie mir bald Nachricht wegen der Soldateska, grüßen die Ihren recht herzlich, nicht minder Gerstäcker u. sonstige Freunde, u. behalten immerdar lieb Ihren
 
AMethfeßel

Autor(en): Methfessel, Albert
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Gerstäcker, Friedrich (Vater)
Pacius, Fredrik
Pacius, Louis
Erwähnte Kompositionen: Methfessel, Albert : Kantate für Männerchor
Spohr, Louis : Jessonda
Weber, Carl Maria von : Der Freischütz
Erwähnte Orte: Hamburg
Leipzig
Erwähnte Institutionen: Liedertafel <Hamburg>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1824022943

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Methfessel. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Methfessel an Spohr, 23.04.1824.

[1] Lucius Pacius.
 
[2] Fredrik Pacius.
 
[2a] [Ergänzung 24.01.2022:] „Edle“ über der Zeile eingefügt.
 
[3] Anspielung auf den von Spohr nicht besonders geschätzten Der Freischütz von Carl Maria von Weber.
 
[4] Vermutlich berichtete Spohr in seinem Vorbrief ähnlich über diese Aufführung wie in Spohr an Wilhelm Speyer, 15.02.1824.
 
[5] Louis Spohr, „Chor der Soldaten aus der neuen Oper: Jessonda“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 26 (1824), Beilage 1.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Götz Methfessel (21.12.2017).