Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
 

Sr. Wohlgebohren
den Herrn Kapellmeister Spohr
in
Cassel1


Leipzig den 17ten Jänner 1824

Verehrter Herr Kapellmeister!

Sie werden verzeihen daß ich mir die Freihheit2 nehme Sie mit diesen Zeilen und zugleich mit einer Bitte zu belästigen. – Da nehmlich der H. Hofrath Küstner Ihre Neueste Oper Jessonda jetzt aufführen will, und ihm viel daran liegt dießelbe so gut als möglich zu besetzen, so hat er mich ersucht die kleine Rolle der Amazili darin zu übernehmen. Da nun aber diese Parthie, so schön sie auch an und für sich ist, doch einer Arie ermangelt, worin eine Sängerin Gelegenheit hätte das Interesse des Publkums in Anspruch zu nehmen, und ich so viele Achtung für Ihr Kunstwerk habe, als das ich eine fremde Composition in Ihre vortrefflige Musik einschalten möchte, so ersuche ich Sie hiermit ergebenst, die Gefälligkeit für mich zu haben mir auch eine Arie für diese Parthie noch zu schreiben.
Ich hoffe, um so weniger eine Fehlbitte zu thun, als die Scene worin diese hier gesungen werden kann so sehr gut sich dazu eignet – ich meine nehmlich im 2ten Act nach dem Duett zwischen Amazili u Nadori No 18, worauf dann sogleich das kleine Recitativ No 19 folgt welches zugleich als Einleitung zur Arie gelten könnte.3
Ich wünsche von Herzen da´Sie, verehrter Herr Kapellmeister meine Freihheit entschuldigen und meine Bitte berücksichtigen mögen, und geben mir die Ehre mich Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin bestens zu empfehlen, indem ich mit höchster Achtung zeichne

Ihre
ganz ergebene Dienerin
Corona Werner
Sängerin des Leipziger Stadt-
Theaters.

Autor(en): Werner, Corona
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Küstner, Karl Theodor von
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Jessonda
Spohr, Louis : Szene und Arie, WoO 79
Erwähnte Orte: Leipzig
Erwähnte Institutionen: Stadttheater <Leipzig>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1824011245

Spohr



[1] Auf dem separaten Briefumschlag befindet sich rechts oben der Poststempel: „LEIPZIG / 12. Jan. 1824“.

[2] Sic!

[3] Offensichtlich komponierte Spohr für Werner daraufhin die Arie Nt. 19b „O Welt so schön und blühend“ (WoO 79) mit vorhergehenden sechs Takten Rezitativ „O neu Gefühl“ nach (vgl. Louis Spohr, Jessonda. Oper in drei Akten, hrsg. v. Gustav F. Kogel, Leipzig u.a. [1881], S. 174-179), die im Erstdruck der Klavierauszugs noch fehlt (ders., Jessonda. Grosse Oper in drey Aufzügen, Leipzig [1824], S. 48). Der Erstdruck der Arie erfolgte im Klavierauszug bei Schuberth (Szene und Arie aus der Oper Jessonda. Bisher noch ungedruckte nicht im Clavier-Auszug befindliche Composition, Hamburg und Leipzig 1841).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (09.09.2022).