Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. Mus.ep. Spohr-Correspondenz 1,93
Druck 1: [Ernst Rychnovsky], Beschreibendes Verzeichnis der Autographen-Sammlung Fritz Donebauer in Prag, 2. Aufl., Prag 1900, S. 153 (teilweise)
Druck 2: Peter von Lindpaintner, Briefe. Gesamtausgabe (1809-1856), hrsg. v. Reiner Nägele (= Hainholz Musikwissenschaft 1), Göttingen 2001, S. 79f.
Beleg 1: Autographen-Sammlung enthaltend Musiker-Briefe und Musik-Manuskripte aus dem Nachlasse des berühmten Komponisten Louis Spohr (1784-1859) nebst Beiträgen aller Art (Fürsten, Staatsmänner, Dichter, Gelehrte, Künstler, etc.) aus dem Besitz eines bekannten Berliner Sammlers. Versteigerung zu Berlin Montag, den 15. und Dienstag, den 16. Oktober 1894 (= Katalog Liepmannssohn), Berlin 1894, S. 55
Beleg 2: Sammlung Fritz Donebauer, Prag. Briefe, Musik-Manuscripte, Portraits zur Geschichte der Musik und des Theaters. Versteigerung vom 6. bis 8. April 1908 (= Katalog Stargardt), Berlin 1908, S. 97
Beleg 3: Georg Kinsky, Versteigerung von Musiker-Autographen aus dem Nachlaß des Herrn Kommerzienrates Wilhelm Heyer in Köln im Geschäftslokal der Firma Karl Ernst Henrici. Montag, den 6 und Dienstag, den 7. Dezember, Bd. 1, Berlin 1926, S. 100

Herrn
Herrn Kapellmeister
L. Spohr.
in
Kassel.


Verehrtester!

Auch ohne Versicherung werden Sie mir glauben, daß es nicht Nachläßigkeit war, warum Ihr sehr werthes Schreiben an mich bisher unbeantwortet blieb, meine Verehrung für die Werke Ihres Geistes, die mir von Jugend auf in meiner musikalischen Laufbahn stets Muster u Leiter waren – ist zu tief gewurzelt, zu herzlich, als daß ich mir eine Unaufmerksamkeit der Art je könnte zu Schulden kommen lassen. Unser Hof hat sich, für meine künstlerische Existenz leider! - zu sehr für den nun modischen1 italienischen Schlendrian ausgesprochen – zum Belege dient, daß 14 Rossinische Opern binnen 4 Jahren einstudirt wurden – als daß es bei der Beschränktheit unserer Theaterfinanzen in meiner Stellung eine leichte Aufgabe wäre, den Intendanten, der keine andere Richtschnur als den Geschmak des Hofes kennt, zu der Anschaffung irgend eines klassischen Werkes zu vermögen. Ueberdies wird für den Monat Jänner eine neue Oper von dem hier anwesenden ital.2 Singlehrer Orlandi „la dama soldato“ einstudirt3, u. eine zweite neue Oper von Stunz ist beim Ausschreiben, so daß mir bei diesen Umständen nichts möglich war, als das Versprechen zu erhalten, daß Ihre Oper Jessonda künftiges Frühjahr solle angeschaft werden, wovon ich Sie bald als möglich mit wahrer Freude in Kenntniß setzen werde. - Bei dem dermaligen Zustande unseres Opernpersonals wird es hoffentlich nicht schwer seyn, die Parthien brillant zu besetzen, und ich meines Theiles werde es nicht an Fleiß u Precision in der Ausführung des Ganzen fehlen lassen, um mich wenigstens auf diese Art einigermassen dankbar zu bezeigen für den reelen Antheil, den Sie, an meiner Arbeit so offenkundig zu begreifen, die Güte hatten.
- Leider haben die Abbonnements Konzerte hier aufgehört, wo wir manches Herrliche Ihrer Composition mit Succes – zum B. die 2te Sinfonie in D. - & - aufführten. Wir haben alle Woche 2 Opern u 1 Hofkonzert regel[mäßig. I]m nächsten werden Pechatschek u Ster[n Ihr sch]önes Doppelkonzert vortragen4; auch wer[de] ich im Verlaufe dieses Monats noch die Ouver[ture] zu Faust in einem Entreact zwischen zwei kleinen Stüken executiren.
Ich hoffe in der Folge Gelegenheit zu erhalten, Ihnen Beweise geben zu können, daß es mir nicht an gutem Willen fehlt, der guten Sache Dienste zu leisten.
Mit der ausgezeichnetsten Hochachtung und Verehrung

Euer Wohlgeb.
ganz ergebenster Diener
P Lindpaintner

Stuttgart am 10 Xber
1823.



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Lindpaintner. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Lindpaintner an Spohr, 11.04.1826, aus dem sich noch ein derzeit verschollener Brief von Spohr an Lindpaintner erschließen lässt.

[1] Nägele transkribiert hier „unmodischen“ statt „nun modischen“.

[2] „ital.“ über der Zeile eingefügt.

[3] Vgl. „Stuttgart“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 26 (1824), Sp. 355–358 und 365-370, hier Sp. 355ff.

[4] Ebd., hier Sp. 365.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (27.05.2019).