Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Droste-Huelshoff:1

Münster den 4ten December 1823

Wohlgeborener Hoch zu Ehrender
Herr Kapellmeister!

Da ich in der allgemeinen Leipziger Musikalischen Zeitung Nro 29 vom 16ten July 1823, ihren Aufruf an Deutsche Komponisten1 gesehen habe, und ich vor mehreren Jahren 3 Violin-Quartetten und einige Variazionen fürs Fortepiano, bei Gombart in Augsburg, nach vorhergegangner akademischen Recension herausgegeben, auf 1815 von unserm allergnädigsten Könige für das allerhöchstdenselben nach Berlin überschickte Te Deum die große goldne Kunstmedaille nebst eigenhändiges Kabinetsschreiben erhalten habe, so darf ich hoffen, daß dieser Aufruf auch an mich gerichtet seyn dürfte.
Was Eüer wohlgeboren in ihrem Aufruf und den darunter befindlichen Anmerkungen schreiben, ist leider zu wahr, und habe ich dieses auch schon durch Kabalenmacherey mehrmals erfahren, und ist dieses die Ursache, warum ich nicht mehr öffentlich aufgetreten bin. indessen hat mich dieses alles nicht abegehalten, große Ernsthafte Wercke, sowohl für die Kirche als fürs Theater zu bearbeiten.
Unser Herr Orchester Director Schmidt2, Ihr würdiger Schüler, hat mir von Ihrer Güte und Wohlwollen so viel erzählt, daß ich auf sein Zureden es wage, Eüer Wohlgeboren, meine Große Oper, welche noch von keinem in Musick gesetzt ist, der Tod des Orpheus von J.G. Jacobi in Karlsruhe (welcher Leider nicht mehr ist) gegen ein billiges Honorar anzubieten, und zugleich den Text zum durchsehen zu überschicken.
Der Orpheus als Tenorist, Dejanira und Eurijdice sowie die Anführerin der Bachantischen Chöre als Sopranistinnen, und der Oberpriester Amedes als Bassist, diese Hauptrollen müssen gut besetzt werden, und da sie eine Menge Chorsängerinnen und Chorsänger haben, so werden sie
Doppelchöre, welche dieser Ernsthaften Oper den Hauptglanz geben, ebenfalls gut besetzt werden können, welches ich Ihrer Leitung als vollendeter Virtuose und Komponist ganz überlasse.
Für die Musick glaube ich bürgen zu können; indem dasjenige, was nicht allein in unsern verein (– welcher aus 150 Mitgliedern besteht, und worüber mir die Direction übertragen ist, sondern auch in öffentlichen Concerten aufgeführt worden ist), und aus dieser Oper sich in Concerten passte, den ungetheilten Beifall erhalten hat.
Der jüngere Herr Schmidt, welcher unter ihrer Leitung sich noch vervollenkomnen wird, und ein braver Violin und Flötenspieler ist, hat die Güte Eüer Wohlgeboren dieses Schreiben zu überreichen.3
Sollten Eüer Wohlgeboren mein Anerbieten anzunehmen willend seyn, so bitte ich mir gefälligst
Antwort darüber zukommen zu lassen.
Der ich mit der vollenkommnensten Hochachtung bin Ehre habe mich zu nennen,

Eüer Wohlgeboren
ganz ergebenster
Max von Droste Hülshoff



[1] Louis Spohr, „Aufruf an deutsche Componisten“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 25 (1823), Sp. 457-464.

[2] Georg Schmidt.

[3] Wilhelm Schmidt (vgl. Georg Schmidt an Spohr, 17.12.1823).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Frenzel (25.06.2022).