Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Herrn
Kapellmeister Louis Spohr
Cassel

durch Güte
des Ueberbringers
Herrn J. Rudersdorff


Meiningen, d. 18 Nov. 23

Lieber Herr Capellmeister,

herzlichen Dank für Ihren Brief und für Ihre Theilnahme an meinem Schicksal, ich füge mich in meine jetzige Lage, und sehe mit größten Nöthen einer andern Zeit entgegen. – Diese Zeilen, die in einiger Eile geschrieben werden, überbringt Ihnen Herr Jean Rudersdorff, ein tüchtiger Violinist der den Wettkampf mit jedem Geiger seiner Art eingehen kann; er war Capellmeister bey einem russischen Fürsten in Moscau und ist durch seine Frau, eine Tochter des Hofraths Bayers in Arnstadt dazu bewogen nach Arnstadt gezogen; mit dem tüchtigen Musiker vereinigt er einen höchst anspruchslosen Menschen, und ist dadurch und durch sein Talent Lieder mit der Guitarre herlich(???) vorzutragen einer der angenehmsten Gesellschafter. Dieß zusammengenommen mag mich bey Ihnen entschuldigen, wenn ich ihn Ihnen recht sehr empfele. – Der Zweck seines Aufenthalts in Cassel ist nur Sie kennen zu lernen; wenn Sie ihm ein Quartett vorspielen, könnten Sie ihn glücklich machen, sonst brauchen Sie ihm ja nur 8 Tacte vorzuspielen um ihm den gehörigen Respekt beyzubringen. Alles was ich höre, macht mich begierig auf Ihre Jessonda, Hildenbrandt u. Schröder sind ganz voll davon; gestern ist in Hamburg Wilhelms Oratorium bey erleuchteter Kirche aufgeführt worden1, meine Schwester Sengstack mit ihrer ältesten Tochter Auguste ist dazu nach Hamburg gereiset; wenn Sie diesen Brief erhalten werden Sie wohl schon erfahren haben, daß meine Schwester Julie Braut ist von H. Carl Schmilinsky Associé von Jacob Des Artes. Mein Bruder Ferdinand Bräutigam von Fräulein Julie Schmilinsky. – Heut mache ich zum ersten Mal Ihre Synfonie in es2, – ich ziehe sie Ihrer andern Synfonie3 vor, sie hat mich hingerißen. – Grüßen Sie vielmals Ihre Frau und (Ihren Kindern hätt ich bald geschrieben) Ihre Töchter von Ihrem alten Verehrer, Schüler u. Freund
Eduard Grund.



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Grund an Spohr, 04.04.1823. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Grund an Spohr, 21.01.1824.

[1] Vgl. „Aus Hamburg“, in: Zeitung für die elegante Welt 24 (1824), Sp. 149ff., 159f., 167f., 175f. und 183, hier Sp. 167; Aristoxenos der Jüngste, „Hamburg, am 1. Jan. 1824“, in: Abend-Zeitung <Dresden> 22 (1823), S. 100, 104, 108, 112 und 116, hier S. 108 und 112.

[2] Op. 20.

[3] Op. 78.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (13.12.2022).