Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

An
Herrn Kapellmeister Spohr
Wohlgeboren
in
Cassel

frei.1


Wohlgeborner
Hochzuverehrender Herr Kapellmeister!

Ihr Geehrtes vom 4t dieses habe ich richtig erhalten. Der darin enthaltene Antrag kann mir als von einem unserer ersten Komponisten nicht anders als sehr willkommen seyn. Ich ersuche Sie daher, mir Partitur und Buch baldmöglichst zukommenzulassen, indem ich es noch in diesem Jahre in die Scene zu setzen gedenke. Auch eine kleine Uebersicht der Parthien, ob sie mehr Sopran, mehr als, mehr Bravour, mehr Spielparthien sind, wird mir als von dem Verfasser selbst sehr angenehm seyn. Was das Honorar betrifft, so bin ich so frei folgendes mit aller Offenheit hinzuzufügen, was Sie um so mehr entschuldigen werden, als Ihnen bekannt ist, daß mich durchaus bey meiner Unternehmung kein Interesse leitet, jedoch meine Verhältnisse und Abgaben an Stadt und Staat statt Unterstüzungen von denselben, mich zur höchsten Wirtschaftlichkeit zwingen. Aus diesen Gründen dürfte auch Leipzig wohl kaum in eine Kategorie mit Braunschweig, als Hoftheater, vom Hofe unterstüzt, und Frankfurt und Hamburg, als größeren Städten, zu setzen seyn.
Bisher gab ich für eine große Oper, die den Abend ausfüllt höchstens 50 Rth, welches z. B. Ew. Wohlgeboren, Weigl und Andere erhielten. Weber forderte für den Freischütz 100 Rth.2 Da ich ihm dagegen Vorstellungen machte, schickte er mir die Oper und überließ mir die Bestimmung des Honorars. Der außerordentliche Erfolg dieser Oper machte, daß ich eine außerordentliche Ausnahme glaubte machen zu müssen, und ich übersandte daher die 100 Rth. Honorar.3
Ohne dem Werthe einer ernsten Oper zu nah treten zu wollen, welcher mit dem Erfolg durchaus nicht immer eins ist, möchte doch schwerlich eine andre Oper, selbst eine Webersche, den Erfolg des Freischützen haben.
Indem ich daher Ew Wohlgeboren eine billige Berücksichtigung dieser Umstände u meiner Verhältnisse empfehle, bin ich so frei, Ihnen ein Honorar von 20 Dukaten in Gold circa 75 Rth. anzubieten, den größten Fleiß bey Aufführung dieser Oper, eine passendere Ausstellung, um den Erfolg dieser gewiß classischen und vortrefflichen Oper möglichst noch zu erhöhen, wird mir zur angenehmsten Pflicht gereichen, und so kann es nicht fehlen, daß auch in Leipzig, das keine unbedeutenden Ruhme in der musikalischen Welt hat, der schon so vortheilhafte Ruf dieser Oper nur noch erhöht wird. In Erwartung der baldigsten Antwort und mit der vollkommensten Hochachtung verbleibe ich

Ew Wohlgeboren
ergebenster
ThVKüstner

Leipzig, den 11t October 23.
 

Autor(en): Küstner, Karl Theodor von
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Weber, Carl Maria von
Weigl, Joseph
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Jessonda
Weber, Carl Maria von : Der Freischütz
Erwähnte Orte: Leipzig
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Braunschweig>
Stadttheater <Frankfurt am Main>
Stadttheater <Hamburg>
Stadttheater <Leipzig>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1823101145

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf den derzeit verschollenen Brief Spohr an Küstner, 04.10.1823. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Küstner an Spohr, 24.01.1824.

[1] Auf dem Adressfeld befindet sich links oben der Poststempel „LE[IPZIG] / 13. Oct. [1835]“, auf der Rückseite des zusammengefalteten Briefumschlags befindet sich der Stempel „16OCTO“:

[2] Vgl. Carl Maria von Weber, Tagebucheintrag 14.07.1821, in: Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe. Digitale Edition

[3] Vgl. ebd. 25.01.1822, in: Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe. Digitale Edition

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (30.01.2023).