Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Ruppe:2

Sr Wohlgebohren
Herrn Capellmeister Spohr
zu
Cassel
in
Chur Hessen

frei 40 Tr(???)
Herrschaftl.
Mit einem Paquet
Musicalien
hieran gebunden.
H. S.1


Meiningen
d 5ten Octobr
1823.

Wohlgebohrner,
Verehrungswürdiger H. Kapellmeister,

Ew. Wohlgebohren machte mir in Ihrem schätzbaren Schreiben vom 1. Juli d. J. die angenehme Hoffnung, daß Sie die Gewogenheit haben wollten, in Ihrem nächsten Concerte einige meiner Compositionen aufzuführen. In dieser Absicht übersende ich Ihnen hiermit einige solche tonkünstlerischen Versuche nemlich
1, eine ziemlich weitläuftige Militair Sinfonie aus C#, welche ich wegen ihrer 3 Märsche, (einem Trauermarsch, einem langsamen u. einem Duplirmarsch, welche so viel ich weiß große H. meistens lieben,) so betittelt habe.
2, eine Fantasie für das große Orchester aus C moll, worin das Thema hoffentlich vielseitig bearbeitet ist, in welcher Hinsicht Ew. Wohlgebohren Compositionen zu nachahmungswürdigen Vorbildern dienen.
3, Eine Ouverture aus Es# auf ähnliche Weise bearbeitet.
Alle 3 Stücke in Partitur u. ausgeschriebenen Stimmen.
Ew. Wohlgebohren werden mich sehr verbinden, wenn Sie mir über jede dieser Arbeiten Ihr gütiges Kenner Urtheil mittheilten, als warum ich Sie hierdurch angelegentlichst versuche. Gern und dankbar werde ich solches bei meinen Compositionen buenutzen. Zu meiner großen Empfehlung würde es denselben dienen, wenn Ew. Wohlgebohren etwa solcher in der musicalischen Zeitung zu gedenken die Güte hätten und mich dadurch bei dem großen musicalischen Publicum einzuführen. Es fält2 ohne ein besonderes günstiges Ereignis sehr schwer, bei dem musicalischen Publicum einigen schriftstellerischen Raum zu erhalten. In der musicalischen Zeitung, in3 welcher früher meiner Friedens Cantate erwähnt ist4, wird auch meiner Trauercantate5 dem Romberg zu Ehren, ohne weiteres Urtheil (wahrscheinlich durch H. C.6 Grund gedacht, aus meinem Namen Ruppe ist aber daselbst Rappe gemacht worden.7 In unser Herzogs Marstall befinden sich zwar Rappen genug, aber keiner darunter componirt so viel mir bekannt ist.
Die herrliche, große Ouverture zu Ihrem Faust, welche hier aufgeführt wurde erregt in mir den Wunsch, das Stück selbst zu hören, freilich am liebsten unter des Meisters eigener Aufführung. Vielleicht bin ich einmal glücklich, diesem Wunsch in Cassel erfüllt zu sehr. Unser Herr C. Grund ist zwar von seiner Reise hier wieder angekommen, aber auch bereits wieder auf 4 Wochen nach Halle gereist, um eine Schwäche in seinem Arm curiren zu lassen, welche ihn Violin zu spielen hindert. Es wäre ein großer Verlust für unsere Kapelle, wenn H. Grunds Arm nicht wieder herzustellen wäre.
Bei uns ist bis jetzt nur ein einziger Concert bei Hof gewesen, welches die Anwesenheit des Großherzogs von Weimar veranlaßte, worin unser Clarinettist Fischer, welcher diesen Sommer einige Zeit Hermstedts Unterricht genossen, mit8 großem Beifall gespielt und beeindruckende Fortschritte auf seinem Instrumente dargelegt hat. Heut wird H. Violinist Knoop jun. bei dem Herzog Ihr meisterhaftes Nonett spielen und wahrscheinlich durch sein Spielen dorthin, daß ihm Ihr Unterricht von großem Nutzer gewesen ist. Ich schließe mit der Bitte mich Ihrer würdigen und eben so geschickten Frau Gemahlin angelegentlichst zu empfehlen und unterzeichne mich mit der vollkommensten Hochachtung mit welcher ich die Ehre habe zu seyn

Ew. Wohlgebohren
ergebener Diener
Friedrich Christian Ruppe.

Ist Ew. Wohlgebohren mein Bruder, Christian Friedrich Ruppe9 Lector der Tonkunst u. Kapellmeister an der Universität Leyden in Holland, welcher ziemlich viel für das Fortepiano gesetzt u. herausgegeben hat, bekannt?



Dieser Brief ist die Antwort auf den derzeit verschollenen Brief Spohr an Ruppe, 01.07.1823. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Ruppe an Spohr, 04.01.1824.

[1] Auf dem Adressfeld befindet sich rechts in der Mitte der Poststempel „MEININGEN / 6 OCT 1823“.

[2] Sic!

[3] „in“ über der Zeitung eingefügt.

[4] Friedrich Mosengeil, „Friedens-Cantate, gedichtet und componirt von Fr. Christian Ruppe, aufgeführt in Meiningen den 27sten Juny 1814“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 16 (1814), Sp. 586-589; „Hr. Friedrich Ruppe“, in: ebd., S. 589ff.; „Leipzig“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 17 (1815), Sp. 237-242, hier Sp. 238.

[5] Hier gestrichen: „welche sehr“.

[6] Abk. f. „Capellmeister“.

[7] „Meiningen“, in : Allgemeine musikalische Zeitung 24 (1822), Sp. 247.

[8] „mit“ über der Zeile eingefügt.

[9] „Christian Friedrich Ruppe“ über der Zeile eingefügt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (20.12.2023).