Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Druck: Markus Frei-Hauenschild, Friedrich Ernst Fesca (1789-1826). Studien zu Biographie und Streichquartettschaffen, Göttingen 1998, S. 17, Anm. 43 (teilweise)
Magdeburg den 1 Octbr 1823
Sehr geehrter Freund,
Alles was mir von Ihnen kommt, ist mir werth und umso werther da es stets interessant ist: 1. habe ich mich der Bekanntschaft Ihres Schülers, des jungen Gerke der mir voriges Frühjahr Ihre letzten geschätzten Zeilen an mich überreichte, herzlich erfreut, und nach Kräften mitgewirkt daß er wenigstens nicht ganz unzufrieden von Magdeburg wegging. Der junge Mann hat ein eminentes Talent und mit der seinen Jahren eigenen Kühnheit wagte er sich an die schwierigsten Sachen von Ihnen. am freiesten und auch am vortrefflichsten spielte er einen Abend bei mir das neuste Quintett von Ihnen, was er öffentlich vortrug1, gelang ihm weniger, was mir um so mehr leid war, als ich sehr gewünscht hätte, daß ihn Jedermann gerade so erkennen sollte, wie ich ihn erkannt hatte.
Sie emfangen2 hierhin ein Anlage und zugleich Anliegen was unserm noch trefflichen Contrabassist Hesse, der erfahren hat, daß in der dortigen Capelle eine Contrabassisten Stelle offen ist3: Sie haben ihn in Quedlinburg4 gehört und was er damals leistete, würden Sie auch jetzt wieder an ihm finden, nachdem er sich von der schweren Krankheit, welche ihn im vorigen Jahre befiel, gänzlich wieder erhohlt und daraus das für ihn und die Seinigen unschätzbare Gut mit weggenommen hat, daß er seit dieser Zeit das Trinken ganz gelassen hat: er weiß es zu gut, daß sein Leben und die Existenz seiner Familie auf dem Spiele stand und wieder auf dem Spiele stehen würde, wenn er von neuen imn seinen Fehler verfiele. Das beste ist, daß ihm die Gelegenheit, die ihn dazu verleitete, das Wesen zu zeigen(???), womit man bei seinen schlechten Einnahmen eine Zeitlang die Seinigen erfüllen mußte, für immer benommen ist, wenn er dort nie wieder kehrt(???). Ich berühre alles dieses absichtlich, weil es vielleicht ein Grund war, daß Sie sich seiner bei Besetzung der dortigen Stelle nicht erinnerten: Hesse ist jetzt kräftiger und gefünder, als ich ihn lange nicht gekannt habe, er hat Ehrgefühl und Gefühl für Kunst, ich glaube daher gewiß, Sie würden mit ihm zufrieden seyn und ihm wollte ich es herzlich wünschen, daß er eine freye(???) und anständige Versorgung erhielte. Er wartet mit Verlangen auf Ihre gefüllige Antwort und freuen sollte es mich, wenn ich durch diese Zeilen etwas Gutes für ihn gewirkt hätte.
Ihrer geschätzten lieben Gattin empfehle ich mich mit meiner Frau aufs beste und Ihnen bleibe ich mit wartet Werthschätzung stets ergeben
C.A. Fesca
Autor(en): | Fesca, Carl August |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Gerke, Otto Hesse (Kontrabassist in Magdeburg) |
Erwähnte Kompositionen: | |
Erwähnte Orte: | Magdeburg Quedlinburg |
Erwähnte Institutionen: | Elbe-Musikfeste <wechselnde Orte> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1823100149 |
Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief Spohr an Fesca, vermutlich 23.02.1823.
[1] Zu Otto Gerkes öffentlichen Auftritt in Magdeburg am 06.04.1823 vgl. „Aus Magdeburg, den 6. April“, in: Zeitung für die elegante Welt (1823), Sp. 731f., hier Sp. 732.
[2] Sic!
[3] Das Mitgliedsverzeichnis der Hofkapelle zeigt von 1823 zu 1824 keine Umbesetzung bei den Kontrabässen (vgl. Kurhessisches Staats- und Adress-Handbuch (1823), S. 99; Kurhessisches Staats- und Adress-Handbuch (1824), S. 99).
[4] Zum Elbe-Musikfest in Quedlinburg am 12. und 13.10.1820 vgl. „Musikfest zu Quedlinburg”, in: Literarisches Conversationsblatt 21.11.1820, nicht paginiert; Louis Spohr, Lebenserinnerungen, Bd. 2, Tutzing 1968, S. 94, Text mit fehlerhafter Paginierung auch online; Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 111.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (01.04.2022).