Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,50

Herrn
Herrn Wilhelm Speyer
Wohlgeb.
in
Offenbach a/m


Cassel am 29sten
September 23.

Geliebter Freund,

Mit der heutigen fahrenden Post geht die Oper an Guhr ab. Haben sie die Güte mir zu schreiben, wenn das Einstudiren begonnen hat und melden sie mir dann zugleich, welcher Tag zur Aufführung bestimmt ist. 5-6 Tage vorher gedenke ich in Frankfurt einzutreffen. Einige Tage nach der ersten Aufführung der Oper mögte ich dann Concert geben. Sollte der Andrang der Concertgebenden sehr groß seyn, so hätten Sie wohl die Gefälligkeit mir einen Tag auf der Polizey zu belegen. Ich freue mich sehr darauf einmal wieder in Frankfurt zu spielen, theils weil meine Stradivari jetzt ganz vortrefflich ist, theils weil ich mir manches neue geschrieben habe, was Sie und die Frankfurter noch nicht kennen.
Meine Frau und Emilie werden mich begleiten; letztere soll in dem Concert singen.
Bey Pixis stehe ich allerdings in Briefschulden; es hat aber eine eigene Bewandniß damit. Er hat mich dringend gebeten, seine Oper bey uns zu geben; diese kenne ich nun aber nur aus dem Clavierauszuge als ein durchaus verfehltes Werk [halb Rossini halb Cherubini und gar nichts eigenes]1 und kann sie ohnmöglich in Scene setzen. Dieß ihm zu melden konnte ich bisher nicht über mich gewinnen, daher mein Schweigen. Einen Clavierauszug von Faust soll er aber bey seiner Rückreise nach Wien finden.
Moscheles ist ein großes Talent. Ich wollte er wäre hieher gekommen. Auch Böhme und Pixis hätte ich gern hier gesehen, obgleich für fremde Künstler wenig zu gewinnen ist.
Wir freuen uns unendlich Sie und die lieben Ihrigen nun bald zu sehen. Wenn Guhr die Sache betreibt, so kann die Oper noch vor Mitte November gegeben werden. Doch wünsche ich nicht, daß das Einstudiren übereilt werde. Leben Sie wohl. Die herzlichsten Grüße von uns allen. Ewig

der Ihrige
Louis Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Speyer, Wilhelm
Erwähnte Personen: Böhm, Joseph
Cherubini, Luigi
Guhr, Carl
Moscheles, Ignaz
Pixis, Johann Peter
Rossini, Gioachino
Spohr, Dorette
Zahn, Emilie
Erwähnte Kompositionen: Pixis, Johann Peter : Der Zauberspruch
Spohr, Louis : Faust
Spohr, Louis : Jessonda
Erwähnte Orte: Frankfurt am Main
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1823092902

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Speyer an Spohr, 24.09.1823. Speyer beantwortete diesen Brief am 03.10.1823.

[1] Einfügung am Rand.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (18.02.2016).